Gemeinnützige Anstalten, Armenwesen und Wohltätigkeit 241
die außerhalb Nürnberg wohnenden, unmittelbar an die Verbraucher in der Stadt absetzenden
Milchhändler und Milcherzeuger erfolgt. Von den zur Anzeigeerstattung aufgeforderten
455 Landwirten waren 372 Antworten eingelaufen. Bei der Abneigung der ländlichen Be—
völkerung gegen Schreibarbeit konnte das Ergebnis nur unzuverlässig sein. Für das Milch—
versorgungsamt hatten die bisherigen Erhebungen nur insoweit Wert, als man jetzt mit ziemlicher
Sicherheit wußte, aus welchen Ortschaften überhaupt Milch nach Nürnberg geliefert wurde.
Es wurden nun durch Bekanntmachung vom 19. September alle Personen und Betriebe, die
im Stadtbezirk Nürnberg Milch gegen Entgelt absetzten, aufgefordert, sich behufs Anlegung
eines Katasters der Milchverkäufer anzumelden. Den auswärtigen Milchhändlern wurde die
Meldung dadurch erleichtert, daß die an die Bezirksämter geschickten Anmeldeblätter an die
Bürgermeister der bezeichneten Ortschaften zur Ausfüllung weitergingen. Während so nach
den Anmeldungen das Verzeichnis der hiesigen Milchhändler — ihre Zahl hatte sich auf
1089 erhöht — vervollständigt werden konnte, liefen von den marktenden Landwirten die
Anmeldungen wiederum nur spärlich ein. Hier wurde eine einwandfreie Feststellung erst durch
die im Oktober mit der Brotkartenausgabe, erfolgende Ausgabe der Milchkundenkarten, auf
denen jeder Haushalt seinen Milchlieferanten anzugeben hatte, ermöglicht. Nach diesen Er—
mittlungen wurde von 363 auswärtigen Milcherzeugern, welche zum Teil auch Milchsammler
waren, Milch in Nürnberg an Verbraucher abgesetzt. Es kamen also insgesamt 1452 Milch—
verkäufer in Betracht. Im Oktober 1916 wurde ferner für die Nürnberger Milchhändler
eine Postkartenerhebung vorgenommen. Diese ergab, daß von den 1089 Händlern, einschließlich
der Rürnberger Selbsterzeuger, nur 66 die Milch im Laden verkauften.
Über die tägliche Milcheinfuhr am Hauptbahnhof waren bisher schon regelmäßige
Aufschreibungen geführt worden, dagegen nicht über die an den Nebenbahnhöfen eingeführten
Milchmengen; ebensowenig, außer einer einmaligen Erhebung, über die täglich auf den Land—
straßen mit der Achse eingebrachten Mengen. Es wurden nun täglich durch eine Angestellte
des Milchversorgungsamtes am Eilgutbahnhof an der Hand der Packzettel genaue Auf—
schreibungen über die von jeder Station angelieferte Literzahl gemacht. Die Vorstände der
Nebenbahnhöfe erhielten durch Vermittlung der Eisenbahndirektion Formblätter zu gleichem
Zweck. Schließlich wurden auch den 14 Gefällstellen der Aufschlageinnehmerei gleiche Auf—
schreibungen aufgetragen. Die Meldungen über die Einfuhrzahlen gingen sofort an das
Milchversorgungsamt und wurden dort noch am gleichen Tage verarbeitet. ÜUber die im Stadt—
bezirk selbst erzeugte Milch konnte nur eine, ungefähre Zahl nach der letzten Berichtswoche
des Statistischen Amtes auf Grund der eingelieferten Milchblätter eingesetzt werden.
Das Amt widmete sein Interesse von Anfang an ganz besonders den Klagen der
Milchhändler über Lieferungsrückgang und trat dem immer mehr um sich greifenden Verbuttern
der bisher von den auswärtigen Milcherzeugern als Frischmilch gelieserten Milch entgegen.
Immer mehr wurde in dieser Hinsicht das Milchversorgungsamt in Anspruch genommen. Der
Rückgang der Milcheinfuhr wurde immer fühlbarer; selbst die langjährigen geschäftlichen und
persönlichen Beziehungen zwischen Milchhändler und Milcherzeuger boten keine Gewähr, daß
dieser nicht vertragswidrig zum Verbuttern überging oder die Milch nur gegen erhöhten Preis
weiterlieferte. Wohl waren zahlreiche Vorschriften hiergegen erlassen, aber das Vorgehen auf
Grund dieser Anordnungen War überaus langwierig und ziemlich aussichtslos. Immerhin
wurde in manchen Fällen eine Aufrüttelung der säumigen Milchlieferanten durch das behördliche
Einschreiten erreicht und wenigstens vorübergehend die Milchlieferung gehoben. Das Verfahren
wurde besonders erschwert durch den langen Instanzenweg. Sämtliche Anträge der Milch—
händler betreffs säumiger Lieferanten mußten erst an die Verteilungsstelle für Erzeugnisse der
Milchwirtschaft (später Landesfettstelle) geleitet werden. Diese veranlaßte die zuständige
Gendarmexiestation zur Erbebung über die Gründe der Zurückhaltung der Milch; gleichzeitig
—16