8 Hans Sachs ausgewählte dramatische Werke.
zwischen Dichter und Volk auszufüllen, und wären die
Späteren seinen Fußstapfen gefolgt, wir wären weit früher
zu einer Blüte in der dramatischen Dichtkunst gekommen.
So groß nun auch die Begabung des Hans Sachs sein
mag, so gering ist seine Ausbildung. Die charakteristischen
Unterschiede zwischen den einzelnen Gattungen des Drama's
sind ihm nicht bekannt. Er unterscheidet zwischen Tragödien,
Komödien und lustigen Spielen und nenunt Tragödien im
Allgemeinen die Stücke, in denen Tod und Kampf auf der
Bühne vorkommen, Komödien diejenigen, welche versöhn—
licheren Inhalts sind, und faßt unter der Bezeichnung „Spiele“
alles das zusammen, was er weder Tragödie noch Komödie
nennen zu können glaubte. Doch scheint auf die Benennung
der Stücke als Tragödien auch ihr höherer oder geringerer
lehrhafter Werth, sowie der Eindruck, den das Stück in
seiner Gesammtheit auf den Hbrer machte, von Einfluß
gewesen zu sein, während bei den Fastnachtspielen das Be—
streben zu belehren von dem zu belustigen fast ganz verdrängt
wird. Von den Gesetzen des dramatischen Aufbaus weiß
unser Dichter so gut wie nichts, und doch gelingen ihm
infolge seiner großartigen Beanlagung zuweilen Dramen,
welche nicht allzu hoch gespannten Anforderungen nach die—
ser Richtung hin genügen können. Hans Sachs lernte zwar
eine ganze Reihe von dramatischen Werken der Alten kennen,
aber er scheint, was die Oekonomie der Stücke angeht, durch
sie nur zur endgültigen Eintheilung größerer Stücke in Akte
gekommen zu sein, welche ihm vorher nicht unbedingt nö—
thig erschien. Dennoch bleibt die Akteintheilung bei ihm
eine rein äußerliche, nicht durch Ruhepunkte in der Hand—
lung bedingte. Und das war bei dem ganzen Charakter
des Hans Sachsischen Drama's auch nicht möglich, denn
es kam dem Dichter nur auf die äußere dramatische Ge—
staltung der überlieferten Stoffe innerhalb der Grenzen der
Ueberlieferungen an, er wollte keine psychologischen Probleme
lösen, nicht feinere seelische Zustände schildern oder dem Ganzen