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Sachs anlaftıgt, damit hat man es sehr leicht genommen. Nun kam
Gottsched. So wenig poetisches Talent “auch der große Diktator
besaß, er hat einen guten Spürsinn gehabt, wenn er dem Knittelvers
ynädig eine Stelle in der Dichtkunst einräumte. Für ihn ist der
Hans-Sachs-Vers der Knittelvers und um gute Knittelverse machen
zu können, müsse man Hans Sachsens Dichtungen und Ähnliches
fleißig lesen. Gottsched knüpft also unmittelbar an Hans Sachsens
Werke an, während die anderen nur an Hans Sachsens leeren
Namen angeknüpft hatten. Dadurch wurde natürlich in weiten
Kreisen und gerade auch dort, wo sich das höchste poetische
Können offenbarte, die Anschauung befestigt, daß man mit der An-
wendung des Knittelverses in der Art des Hans Sachs dichte. Auch
Goethe und Wieland sind von dieser Anschauung erfüllt.
Die Ehrenrettung aus Schwaben (1760) hatte sich auch der
Verse Hans Sachsens angenommen (S. 37): „Hanß Sachsen Verse
sind folglich keine andere, als Verse, die sich reimen, wie man es
vor 200 Jahren in Nürnberg gekonnt hat. Wer etwas schimpfliches
oder liederliches damit anzeigen will, dem wird diese Ehrenrettung
seine Unwissenheit in der Dichter Geschichte, und seine Ungerech-
tigkeit gegen einen verdienten Mann an den Tag legen.“1 Wie
man nun in der Zeit des Aufblühens unseres Klassizismus dazu
kam, in Hans Sachsens Art zu dichten, das hat uns Goethe aller-
dings Jahrzehnte später im achtzehnten Buche von „Dichtung und
Wahrheit“ geschildert.? Diese sowohl für die Geschichte der Goetheschen
Verstechnik als auch für das Nachleben des Hans Sachs außeror-
Jentlich wichtige Äußerung lautet: „Hans Sachs, der wirklich
meisterliche Dichter, lag uns am nächsten. Ein wahres
Talent, freilich nicht wie jene Ritter und Hof-
männer [nämlich die Minnesänger], sondern ein schlichter
Bürger, .wie wir uns auch zu sein rühmten. Ein didak-
tischer Realism sagte uns zu, und wir benutzten den
lı Ranisch a. a. O0. S. 294—295.
2? Spuren der Tätigkeit am 18. Buch von „Dichtung und Wahrheit“
führen zwar sehon ins Jahr 1813 zurück, aber die Arbeit am 4. Teil dieser
Selbstbiographie, der auch das 18. Buch enthält, zieht sich bis gegen das
Lebensende des Dichters hin; im Druck erschien der 4. Teil erst 1833.
(Goethes Werke, Hg. i. Auftrage d. Großh. Sophie v. Sachsen. 29. Bd., Weimar.
1891. S. 195 —196).