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mit anderen Kindern auf dem Burgberg umher, bis der Vater
kam und sie mit Gewalt heimholte.
furchtbar schwer fiel es der kleinen wilden Hummel, die
goldene Freiheit plötzlich mit dem schrecklichen Stillsitzen auf der
Schulbank vertauschen zu müssen.
Fast gleichzeitig mit diesem drückenden Zwange wurde ihr
ein für ihren Sinn noch härterer auferlegt, der der Unterord
nung unter den Willen der neuen Mutter..
„Wenn ich nur bei meinem Mütterle draußen läg!“ schrie
und weinte sie in heftigen SZornausbrüchen. „Ich will nichts
lernen, ich will keine neue Mutter!“ Aber sie mußte eben beides
doch „wollen“ trotz aller Weigerung.
Glücklicherweise war die Wahl des Thorwarts eine gute
gewesen, denn seine zweite Frau maß dem kindischen Gebahren
keine Bedeutung zu, sondern ging mutig und unbeirrt an die
schwierige Aufgabe. Sie war eine herzensgute, brave Frau,
beseelt von redlichem Willen, zudem besaß sie ein gut Teil
gesunden Menschenverstandes und hatte das Herz am rechten Sleck.
Gar bald fand sie sich in der Gedankenwelt ihrer kleinen
Stieftochter zurecht und wußte, wie sie den unbändigen Charakter
zu fassen hatte.
Das Kind selber wäre ihr schlimmster Feind noch nicht
gewesen, denn im Grunde genommen hatte es bei allen Unaärten
ein „gutes Herz“. Aber die „Verwandten und Freunde“ der ver—
storbenen Thorwärterin, die dafür sorgten, das Feuer des Hasses,
des Mißtrauens, der Rebellion in dem jungen Gemüte zu schüren,
das waren die Steine des Anstoßes! Sie scheuten sich nicht, des
Kindes Kleidung der genauesten Musterung zu unterziehen, ihm die
Röckchen aufzuheben, in der Hoffnung auf versteckte Unordnung zu
treffen. Zu ihrem großen Bedauern fanden sie kein „corpus delicti“
vor, das Anlaß gegeben hätte, der Stiefmutter den leisesten Vor
wurf zu machen.
Kam das widerspenstige Mädchen mit einer Klage zu den
„wohlmeinenden Freundinnen“, so wurden ihm die Worte zuge⸗