als in Preußen. Das war auch ein Stück deutscher
Geschichte und deutschen Elends.
Da die Studierstube gewissermaßen auch Amts—
zimmer war, so war ich von meiner Subsellie aus
ruch Zeuge von mancherlei, was ich sonst nicht gehört
hätte; so einmal, wie mein Vater einem Gemeinde—
glied — ich könnte es malen und beim Namen nennen
— Vorhalt machte. Der Mann trank gern eins über
den Durst und war dann rasch zu Wort und Tat.
Daß er sonst tüchtig bei der Arbeit war, zeigte das
hraun gebrannte Gesicht, von dem die Stirne weiß
abstach, soweit sie nämlich sonst von dem Troddel—
zäppchen bedeckt wurde, das er damals zwischen den
heiden Händen hielt. Seitdem hielt ich eine weiße
Stirn und ein braungebranntes Gesicht für das unter—
scheidende Merkmal des Trinkers oder des Betrun—
kenen. Was hätte ich da für ein Säufer sein müssen,
als ich meines Königs Rock trug, wiewohl ich seit
dieser Zeit den „schönen Durst“ dessen zu würdigen
und zu entschuldigen weiß, der im Schweiße seines
Angesichts seinem Tagewerk nachgehen muß.
Wenn ich vorhin einen Beweis von selbsterlebtem
deutschen Elend anführte, so reichte doch in meine
Knabenzeit noch die lebendige Erinnerung herein, wo
es noch trostloser aussah in unserem Vaterland. Da
droben im oberen Dorf, hinten in einer Sackgasse,
da lebte noch ein Mann, der alte D. ganz kahl, aber
er hielt den mächtigen Kopf noch bolzgerade. Er
hatte als bayerischer Reitersmann noch unter Napo—
leon gefochten und erzählte mit Stolz, wie er bei
einer Hoffestlichkeit desselben mit Ehrenwache ge—
standen habe. Und damit auch das Gegenstück nicht
fehlt: Ein älterer Schulkamerad aber von mir, der
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