Volltext: Aus Heimat und Vaterhaus

mundes gab. Nicht übertrieben fein gekleidet — auch 
er trug mit Vorliebe eine graue Joppe — war er 
doch weit entfernt von der urwüchsigen Erscheinung 
seines Zimmergenossen. Und während dessen blon— 
des Gelock das Haupt wild umflatterte, war sein 
schlichtes, dunkles Haar fest angekämmt, daß auch kein 
Härchen wegstand. Um so größer war für mich der 
Eindruck, als er eines Mittags zum Essen erschien mit 
stark gerötetem Gesicht, die Stirnader hochgeschwollen, 
die Haare, wie wenn er mit den Händen durchgefahren 
wäre. Er hatte eben die Nachricht von dem Tode 
seines Vaters erhalten. Er redete nichts beim Essen. 
Diese Selbstbeherrschung prägte sich mir tief ein. Ich 
bin ihm nachher nicht wieder begegnet. Als ich aber 
seinen Namen unter den bei Wörth Gefallenen las, 
habe ich aufrichtig um ihn getrauert. Der andere 
war glücklicher; er ließ meines Wissens nur eine Zehe 
auf französischer Erde zurück. 
Doch zurück zu unseren Zimmergenossen! Da 
war zunächst ein Schulkamerad von mir, ein jüdischer 
Knabe mit pechschwarzen Haaren, etwas gepolsterten 
Augen und ziemlich dunkler Hautfarbe. Was man 
als Bube oft für Gedanken hat! Sein Vater sprach 
natürlich fleißig vor, um sich nach seinem „Söhnche“ 
umzusehen, obwohl es allsamstäglich an sich schon den 
heimischen Herd aufsuchte. Bisher waren mir die 
Nachkommen Abrahams nur in der Gestalt der alten, 
ehrwürdigen, schlichten „Sandlin“ und der mit 
Schnittwaren und Elle wandernden oder als Vieh— 
händler in die Ställe kommenden Männer bekannt 
geworden. Jetzt lernte ich einen anderen Vertreter 
kennen mit schwarzem Gehrock, heller Weste, gestreif⸗ 
ten, weiten, nach unten sich sehr verengenden Hosen, 
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