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Aber wahr ist's, Deine Mutter hat nie eines anderen
Rat gesucht und gebraucht.“
„Ich bin ja schon ganz klein und bescheiden,
Onkel Hünnebach. Eine Ahnung ist mir schon in
den letzten Tagen gekommen von der stillen Größe
der Mutter — jeßt ist es mir ganz zur Klarheit
geworden. Adieu, Onkel Hünnebaäch.“
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Still, immer lauschend, mit offenem Herzen
lebte Anne nun ganz der Mutter. Ja, sogar die
Büchlein holte sie vom obersten Regal aus Vaters
Bücherschrank und las mit Staunen, was so gar
nicht veraltet war, was so unerfüllt verklungen, un⸗
verstanden gepredigt war. Und als ob Josephine
Annes liebevolles Forschen nach der Vergangenheit
fühlte, sprach sie nun auch zu ihrer Tochter von
der Jugend, von der Kinder Kommen und Wachsen,
von des kleinen Liesles Tod.
Josephine lebte nur noch der Vergangenheit,
sie sah alles nur im strahlenden Licht der Freude,
des Glückes.
An der Gegenwart nahm sie keinerlei Anteil
mehr, es konnte sogar vorkommen, daß sie momentan
gar nicht recht wußte, daß Karoline in ihren kleinen
Familienkreis gehörte. Warum Christoph nie zu
ihr herauffkam, konnte fie fragen und dann über
sich selbst und ihre Vergeßlichkeit lächeln.
Nach Joseph verlangte sie sehr viel. Am
liebsten war es ihr, wenn all ihre Lieben um ihr
Bett saßen, auch Hünnebach durfte nicht fehlen.
Sie mußten dann plaudern, als ob sie gesund
zwischen ihnen säße; sie lauschte ihren Stimmen,