266 —
Josephine fand kein tröstendes Wort, keine
mitleidsvolle Zärtlichkeit mehr, da sie nun wußte,
was Anne geschehen. Was half hier trösten?
Aufrichten mußte man die Gebeugte.
Die Gebeugte?
Anne blickte finster, und ihr Mund war fest
geschlossen.
Eine Angst faßte Josephine vor dieser dunklen
Stille. Sie suchte den Ton, der Anne nicht schmerzen
würde, fsie suchte das Wort, das ihr alles sagen
könnte, was eine Mutter mit ihr fühlte, sie fand
es nicht; sie verstummte. Aber hilfesuchend blickte
fie zu Rottmann auf, der mit gesenktem Haupte
hin und her ging. Wie gramvoll auch sein Gesicht!
Wie hatte es plötzlich so dunkel werden können
nach der lichten Freude!
Rottmann blieb vor Anne stehen. „Kind, hilf
uns auf den rechten Weg, den wir gehen müssen,
um Dir über Dein zerstörtes Liebesglück hinweg—
zuhelfen — ich stehe ganz hilflos da, mit dem
heiligen, innigen Wunsch, aber ohne die Möglichkeit
zu sehen —“
„Es gibt nur eines, Vater, das mir helfen
kann: der Haß und die Verachtung.“
„Anne! Das nicht, Kind, nur das nicht!
Jede andere Hilfe suche Dir, aber nicht den Haß,
der Deinen Schmerz pflegen und reizen wird. Du,
arnst nur durch eines gesunden, Anne, durch Ver—⸗
geben!“
„Niemals, Vater!“
Anne erhob sich schwer.
„Durch das Vergeben, Kind, das Dich vergessen
lehrt.“
Anne schüttelte den Kopf. Dann trat sie zum