Volltext: Anselm von Feuerbach, der Jurist, als Philosoph

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bach über den Wert der Idylle!): Sie stellt nur den Menschen 
dar wie er war, nicht wie er werden soll. Sie zeigt ihn uns 
im Frieden mit seinen Leidenschaften, nicht als tugendhaftes, 
sondern als unschuldiges, nicht als moralisches, sondern als 
von der !.ıtur geleitetes Wesen; sie zeigt uns das Menschen- 
yeschlecut nicht ın seiner Grösse, sondern in seiner Liebens- 
würdigkeit. 
Die Vernunft will aber Freiheit und nicht Natur, der 
Mensch will über die Natur, sie nicht über ihn herrschen. 
Der Mensch soll ein moralisches Wesen sein. Die Idylle ist 
daher mehr für die Sinnlichkeit, als für die Vernunft. Sie dient 
ferner unserer moralischen Trägheit, denn sie zeigt uns den 
Punkt, von dem wir ausgegangen sind, statt uns den vOorzU- 
halten, auf den wir hinstreben können. Sie ermattet das Herz, 
statt es zu erheben, sie wird uns nıe für die Tugend entflammen, 
nie werden wir durch sie zu dem Entschlusse begeistert, ein 
wahrer Mensch zu sein, nie mit dem Bewusstsein erhöhter 
Kraft erfüllt, die das Umdrängen der Sinnlichkeit zu über- 
wältigen fähig ist, wohl aber mit toten Wünschen und weh- 
mütigen Klagen, die wir der verlorenen Unschuld zum Opfer 
bringen. Darum kann die Idylle dem Manne von erhabener 
Seele nie oder nur selten. Interesse abgewinnen. 
In den Augenblicken, wo wir das Göttliche in uns fühlen, 
und unser grosser Beruf in vollem Glanze vor unserer Seele 
steht, werden wir nicht wehmütig rückwärts sondern mutig 
vorwärts blicken und die Schritte zählen, die wir noch zum 
Ziele zu tun haben. Und dann schweigt das Bedürfnis, dessen 
Befriedigung das Vergnügen an dem Naturstand und seiner 
Dichtung gewährt. 
Nur dann, wenn wir zwar stark genug sind, um die Un- 
natur zu empfinden, aber zu schwach, um sie verbessern zu 
wollen, nur dann werden wir in die Vergangenheit unsere Blicke 
senden und in ihr finden. was wir in der Gegenwart vergebens 
suchen. — 
Kritik. 
Die hier niedergelegten Ideen sind keineswegs originell. 
Sie gehen vielmehr zurück auf Rousseau, Dorsch, Plattner 
‘) „Apollo“: Ueber den Stand der Natur. Meissners Zeitschrift.
	        
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