IL. Teil.
Probleme.
Reine Philosophie.
Für die Entstehung der Philosophie oder besser des Philo
sophierens stellt Feuerbach zwei Voraussetzungen auf*):
Den gesunden Menschenverstand und die Vernunft.
Diese beiden Faktoren haben zusammen zu wirken. Der
gesunde Menschenverstand Ist ein Urteilsvermögen, das jeder
von uns besitzt. Aber seine Urteile richten sich lediglich nach
den Gefühlen, ohne dass wir dabei etwa nach der Allgemein-
gültigkeit und absoluten Richtigkeit unseres Urteils fragen. So
gibt es gewisse allgemein interessante Gegenstände, die sich
jedem Menschen aufdrängen, und über die der gemeine —
und was wohl zu merken ist — der gesunde Menschenverstand
nur eine Stimme hat. „So wird der roheste Mensch, wenn nur
sein moralisches Gefühl nicht unterdrückt oder durch äussere
Ursachen verschoben worden ist, die Fragen über das Daseın
der Pflichten, einer Gottheit und der Unsterblichkeit unseres
Geistes mit „Ja‘“ beantworten, und er hat für diese Ueber-
zeugungen keinen anderen. Grund, als eın unmittelbares Gefühl,
das uns so und nicht anders zu urteilen nötigt.
Ganz anders aber ist die Vernunft beschaffen. Sie urteilt
lediglich nach Gründen. Ihre Natur bringt dies mit sich. Dazu
nimmt sie die Gefühle in Anspruch. Sie frägt nach Gründen
für dieselben und bezweifelt, solange das Gegenteil nicht er-
') Kritik des natürlichen Rechts, S. 24—25.