Volltext: Hans Sachs im Andenken der Nachwelt

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fehlt strenge Einheit der Handlung, und das Stück läuft 
eigentlich mehr auf eine Verherrlichung Luthers, als Hans 
Sachsens hinaus, wenn dieser auch handelnd im Vordergrund 
steht. — Auf einer Voraussetzung, die zwar lange als historisch 
richtig gegolten hat, trotzdem aber unrichtig ist, baut sich die 
dramatische Szene von Ernst Hermann: „Hans Sachsens 
Herbstglück“ auf. Hans Sachs steht schon in höherem Alter: 
sein Bart und seine Haare sind weiss. Er sitzt träumend in 
der Werkstatt und erzählt, dass er im Traume seine erste Frau 
Kunigunde gesehen habe. Dadurch sei der Wunsch nach einer 
zweiten Gattin aufs lebhafteste in ihm erweckt worden.!) 
Einem jungen Mädchen, das ihn besucht und ihm einen Blumen- 
strauss mitbringt, teilt er seinen Wunsch mit. Auch sie hält 
es für das beste, wenn er sich wieder verheirate. Sie schlägt 
ihm gleich verschiedene Frauen der Stadt vor, jedoch Hans 
Sachs weist sie alle zurück: er will sie — Barbara Harscher — 
selber haben, gesteht es ihr und gewinnt sie als „neuverjüngte 
Kunigund“. — Es ist eine weitverbreitete Ansicht, der 67jährige 
Hans Sachs habe sich in zweiter Ehe mit der 17jährigen 
Jungfer Barbara Harscher verbunden, und auch in den „Meister- 
singern“ wirkt sie, freilich nur in zartester Andeutung, auf 
Hans Sachsens Verhältnis zur Eva. Die Annahme jedoch ist, 
wie Bauch nachgewiesen hat, ganz und gar unrichtig. Bar- 
bara Harscherin war kein junges Mädchen, mit Ulrike von 
Levetzow zu vergleichen, sie war kein „sehr junges Mächen“, 
keine „toute jeune fille de dix-sept ans“, keine „17 jährige 
Jungfrau“ — das Gedicht von Hans Sachs „das künstlich 
frawenlob“, als in welchem er sehr ausführlich die Vorzüge 
und Reize Barbaras beschreibt, konnte allerdings diese Ver- 
mutung entstehen lassen — sondern sie war die Wittwe eines 
Kandelgießers, namens Jacob Enders. Sie war bei ihrer Ver- 
heiratung 27 (bei Mey a. a. O0. S. 20 Anm. heisst es 29) Jahre 
alt, und bald nach seinem Tode vermählte sie sich mit einem 
Manne, der acht Jahre jünger war, als sie. Von ihren sechs 
1) Vgl. das Gedicht von Hans Sachs „Der wunderliche Traum von 
meiner abgeschiden liben Gemahel Küngund Sechsin. 19. Juni 1560“, 
Dies ist, urteilt Goedecke, eines der mildesten und tiefgefühltesten Ge- 
dichte des XVI. Jahrhunderts, dem nur Geibels Gedichte an Ada zu ver- 
gleichen sind,
	        
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