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nicht anders bezeichnen als Willkür. Warum soll die Grenze nicht etwa
ebenso richtig bei 5H oder 150t Tagesleistung gefunden werden können?
Ich stehe nicht an, für meine Person der Ansicht zu sein, daß alle
Mühlen, die nicht ausschließlich Umtauschmüllerei betreiben, sondern ihre
Erzeugnisse im Wege des Handels absetzen, als Fabriken zu betrachten
sein möchten. Ohne mich auf Einzelheiten einzulassen, möchte ich diese
Ansicht dadurch begründen, daß schon heute die meisten Bestimmungen der
Gewerbeordnung, die für Fabriken erlassen worden sind, auf so ziemlich
alle Mühlen Anwendung finden, daß auch das Unfallversicherungsgesetz
alle Mühlen mit demselben Maße mißt, daß alle Mühlen, die über den
Rahmen einer Umtauschmüllerei hinausgehen, eine kaufmännische Hand—
habung der Geschäfte verlangen, insbesondere in bezug auf die Preis—
konjunkturen beim Einkauf sowohl als auch beim Verkauf.
Es ist hier nicht der Ort, alle diejenigen juristischen, manchmal kniff—
lichen Punkte zu erörtern, die von den höchsten Gerichten bei Entscheidung
der Frage, ob ein Betrieb Handwerk oder Fabrik sei, in Erwägung ge—
zogen werden. Entaegenzutreten ist aber der vielfach vorgebrachten Mei—
nung, daß die betreffende Rechtsprechung veraltet und deshalb nicht mehr
beachtenswert sei. Das ist keineswegs der Fall. Wenn man die Grenze
zwischen Handwerk und Fabrik bestimmen will, darf man nicht auf Um—
stände Rücksicht nehmen, die alle Tage wechseln können, also insbesondere
nicht auf die Größe der Produktion, auf die Zahl der Arbeiter, auf die
Höhe des Betriebskapitals u. dergl. Nur dauernde unveränderliche Eigen—
schaften der Betriebe können und dürfen hier in Betracht kommen, z. B.
das Vorhandensein ständiger elementarer Betriebskraft, die Arbeitsteilung
zwischen verschiedenen Personen, die Art der Geschäftsführung, ob kauf—
männisch oder nicht, der Vertrieb der Erzeugnisse, ob im Wege des Han—
dels oder wie sonst. Wenn man so die geschichtliche Entwicklung der
Müllerei betrachtet, muß man, meine ich, zu der Ueberzeugung kommen,
daß sich unsere Mühlen, immer von den kleinsten Umtauschmühlen abge—
sehen, durchweg zu kleinen Fabriken entwickelt haben.
Das UÜbersehen und Verkennen dieser wirtschaftlich-geschichtlichen
Entwicklung hat zur Schaffung der Innungen geführt, diesen gewiß recht
wohlgemeinten, aber, wie die jetzt neunjährige Erfahrung zeigt, unbrauch—
baren Mitteln zur Förderung der Kleinmüllerei. Man sollte deshalb
diese totgeborenen Kinder einer irregeleiteten Gesetzgebung fallen lassen;
man sollte nicht trennen nach Klein- Mittel- und Großmüllerei, sondern
man sollte nur unterscheiden zwischen wirtschaftlich Starken und wirt—
schaftlich Schwachen. Die wirtschaftliche Stärke hängt nicht von der
Größe der Produktion ab, auch nicht von der Zahl der Arbeiter, der
Größe des Kapitals. In beiden Gruppen, den wirtschaftlich Starken
und den wirtschaftlich Schwachen, findet man auf beiden Seiten sowohl
handwerksmäßige als fabrikmäßige Betriebe, wenn man überhaupt einen
solchen Unterschied einmal machen will.
Die wirtschaftliche Bedeutung hängt vielmehr davon ab, ob gleiches
wirtschaftliches und politisches Recht für alle gilt, ob Licht und Schatten
— verteilt sind, ob nicht dem einen oder andern Sondervorteile
zufließen.