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Grunde legte. Wenn das ganze Futtermittelgeschäft sich in großen Ver—
hältnissen, börsenmäßig abwickelte, wurden solche Maßnahmen wohl ge—
nügen; aber die Zahl der Kleinverkäufe ist im Futtermittelhandel doch
eine ganz bedeutende.
Es kann auch unbedenklich zugegeben werden, daß es große Be—
denken gegen sich hat, in wirtschaftlichen Fragen ohne absolut durch—
greifenden Grund nach dem Strafrichter zu rufen. Aber in der hier in
Rede stehenden Angelegenheit scheinen dafür allerdings doch durchgreifende
Gründe vorzuliegen, und zwar in der Hauptsache ähnliche Gründe, die
zum Erlaß des Nahrungsmaͤtelgesetzes geführt haben. Es kann nicht be—
stritten werden, daß auch dieses Gesetz in gewissen Fällen unerwünschte
Wirkungen ausübt, harmlose Leute mit unzutreffenden Forderungen
bedrückt, harmlose Handlungen mit dem Kainsstempel der Fälschung ge—
zeichnet hat: aber im großen ganzen besteht doch kein Zweifel darüber,
daß, das Nahrungsmittelgesetz ebenso notwendig war, wie es wohltätig
gewirkt hat. Ein ähnliches Gesetz brauchen wir'aber auch für den Futter—
mittelverkehr. Die zivilrechtliche Ahnduug der hier in Betracht kommen—
den Fälschungen arbeitet zu langsam, und insbesondere entbehrt sie der
dringend zu wünschenden Wirkung, daß der Fälscher an den Pranger
gestellt wird. Gerade hierauf ist besonderes Gewicht zu legen, weil zu
erwarten steht, wie auch beim Nahrungsmittelgesetz der Fall gewesen ift,
daß das Vorhandensein des Gesetzes an sich schon wohltätig wirkt. Die
finanziellen und moralisch-gesellschaftlichen Folgen einer Verurteilung
wegen Fälschung bedeuten eine so wirkfame Drohung, daß es in vielen
Fällen gar nicht einer besonders scharfen Handhabung des Gesetzes bedarf,
um auf gewinnsüchtige Fälscher einen mäßigenden Einfluß auszuüben.
Nach allen diesen Erwägungen scheint nichts anderes übrig zu
bleiben, als die Verfälschung von Futtermitteln unter allen Um—
ständen für strafbar zu erklären, ohne erst zu fragen, ob ein Betrug
im Sinne des Strafgesetzbuches oder unlauterer Wettbewerb vorliegt, ob
das Vermögen des Käufers beschädigt wird, ob die fälschenden Bestand—
teile die Gesundheit des Viehs gefährden können, ob der Preis des ver—
fälschten Futtermittels seinem währen Werte entspricht ufw.
Auf alle diese Umstände darf es nicht ankommen, sondern einzig die
Tatsache, daß in einem Futtermittel wertlose Bestandteile enthalten find,
ohne daß der Käufer in durchaus hinreichender und klarer Weise darüber
unterrichtet worden ist, müßte das Einschreiten der Strafgewalt bedingen
und dazu genügen.
Die prinzipielle Strafandrohung müßte dahin gehen, daß sich jeder
strafbar macht, der Futtermittel gewerbsmäßig (wenn auch ohne Gewinn—
absicht, wie vielleicht landwirtschaftliche Bezugsgenossenschaften usw.) feilhält
oder veräußert (auch im Wege des Tausches), die wertlose (und dazu
gehören selbstverständlich auch schädliche) Beimischungen enthalten.
Es braucht bei der heutigen Lage der Sache noch nicht erörtert zu
werden, welche mildernde Beurteilung eine nur fahrlässige Verletzung der
Strafvorschrift verdient; wie derjenige behandelt werden soll, der die ver—
fälschte Ware weiter vertreibt, ohne voñ ihrer wirklichen Beschaffenheit
unterrichtet zu sein; wie derselbe dann zu beurteilen ist, wenn seine Un—
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