Stand bildend, sondern als eine besondere Funktion in der Kirche, welche gewissen Personen
übertragen ist“ (XIII, 62), und zwar um ihrer „Fähigkeit“ willen übertragen. Diese „Fähig—
keit“ beruht aber nicht ausschließlich auf der unumgänglich nötigen „Talentbildung“ und
äußeren Fertigkeit, sondern ebensosehr auf der Wahrheit und Reinheit der christlichen
Gesinnung“ (XIII, 46); drum sollte es „niemals vorkommen, daß jemand sich zum geist—
lichen Stande bestimmte und ihm doch der dazu nötige Sinn fehlte“ (XII, 564). Der Geistliche
als einzelner steht immer als Vertreter der Gemeinde da; er muß daher „den gegebenen Zu—
stand des Ganzen repräsentieren“ können (XII, 560).
Freilich, obwohl Repräsentant der Gemeinde, steht der Geistliche doch immer unwill—
kürlich auch da als Persönlichkeit; seine Darstellungsweise wird um deswillen immer bis zu
einem gewissen Grad subjektiv. Daher die Notwendigkeit, Sorge zu tragen, „daß das ein—
zelne Darstellen sich nie vom kirchlichen losreißt“ (XII, 5600), daß „die Einheit des
Ganzen“ gewahrt bleibt; d. h. der öffentliche Gottesdienst „muß zusammengesetzt sein aus
solchen Elementen, in welchen das einzelne Leben, die Persönlichkeit derer hervortritt, die
vorzugsweise selbstthätig sind in ihm, dann aber auch aus solchen, welche die sich gleich—
bleibende Einheit des Ganzen repräsentieren. Die Predigt liegt überwiegend auf jener Seite,
das Liturgische auf dieser“ (XII, 561). Außerdem muß neben dem Handeln des Geistlichen
„jedem einzelnen ein Anteil bleiben an der Produktivität, und je mehr das be—
schränkt wird, desto unvollkommener ist dann der öffentliche Gottesdienst“ (XII, 555). „Jeder
Gottesdienst ist nicht auf die rechte Weise eingerichtet, wenn in ihm die Produktivität der
einen die der anderen ganz absorbiert.“ „Darum darf es keinem Gottesdienst an
einem Elemente fehlen, in welchem sich die Produktipität Aller äußern kann“
(XII, 556).
Ein so eingerichteter Gottesdienst muß dann allerdings genügen. „Man ist freilich
zuweilen soweit gegangen, die sogenannte Verschiedenheit der Stände zu einem
Trennungsgrunde zu machen und einen besonderen Gottesdienst zu fordern für das Volk,
einen besonderen für die Vornehmen. Aber das Religiöse liegt nicht auf dem Gebiete, wo
ein solcher Unterschied seine Stelle finden kann; es wäre also gegen den christlichen Geist,
es wäre Unsinn, wenn man der Forderung wollte Raum geben“ (XII, 568).9)
Was nun die Mittel anlangt, die im Gottesdienst als der „mitteilenden Darstellung
des christlichen Bewußtseins“ zur Anwendung kommen müssen, so ist zunächst im allgemeinen
folgendes festzuhalten: „Das darstellende Handeln im eigentümlich christlichen Gebiete kann
. . . seine Darstellungsmittel nicht produzieren, denn sie sind ihm schon mit der allgemeinen
nenschlichen Darstellung gegeben. Diese Darstellungsmittel bilden das Gebiet der
Kunst, und aller Gottesdienst ... ist aus Kunstelementen zusammengesetzt“
(XII, 537).
Muß aber auch die Kunst alle „Darstellungsmittel“ liefern, so ist doch gleich zu be—
tonen, „daß die Kunst hier niemals muß für sich selber wirken wollen, sondern
sie soll nur die Form sein, unter welcher die religiöse Erregtheit sich darstellt“ (XIII, 729). „Es
ist offenbar, daß hier das Religiöse galeichsam der Stoff und das Künstlerische die
Form ist“ (XIII, 77).
Dabei „fragt sich doch noch, ob denn alles, was Kunst ist, in dieses Gebiet des Gottes—
dienstes darf aufgenommen werden?“ (XII, 537 f.). In dieser Frage ist das eine ausschlag—
zgebend: „Es gehört zu den Eigentümlichkeiten des Christentums, daß die Religiosität in dem—
selben ganz geistig ist und ausgedrückt werden muß weit mehr in Worten als in symbolischen
) In einem früheren Zeitraum, in seinen „Zwei unvorgreiflichen Gutachten in Sachen
des protestantischen Kirchenwesens zunächst in Beziehung auf den Preußischen Staat“ vom
Jahre 1804 hat allerdings Schleiermacher den direkt entgegengesetzten Standpunkt vertreten.
In jener Zeit verlangte er, man sollte „darauf bedacht sein, in den gottesdienstlichen Ver—
sammlungen, in welchen die Rede die Hauptsache ausmacht, die verschiedenen Stände, welche
eine ganz verschiedene Sprache und Behandlung erfordern, auf eine aute Art von einander
abzusondern“ (V, 123).