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fleißig vnd sorgfeltig diener gottes bede weltlich vnnd geistlich, ir vnderthanen, das ir
mit forcht vnnd zittern gehorchen euren oberkhaiten als dem hern, Ir menner, das
ir eur weiber liebendt vnnd nit bitter seihend gegen ihnen, Ir weiber, das ir euren
mennern, als sich zimpt dem haupt, vnderthenig seit vnnd wissendt, das der man nach
got gebildt ist vnnd das weib nach dem man, das ir wol hausholten, khinder ziehendt
mit vernungen9 vnnd straffen an den hern, Ir eltern, das ir eur khindt auff dem
hern zue allem, das rhum, ehr vnnd tugent ist, auffziehendt, Ir khinder, das ir mit
grosser forcht eur eltern liebendt vnnd furchtend vnnd ihnen in allen dingen folgendt
durch den hern Jesum, ir hern vnd frawen, das ir eur eheholten dem hern gefellig
anrichtend vnnd anhalten zue gottes ehr vnd trewen dienst, vnd dencket, das ir auch
ein hern ihm hymmel hobt, Ir knecht vnd megdt, das ir mit rechter forcht eurn
hern vnd frawend (sic) dienend, von hertzen als vnserm hern Jesu mit fleis vnd ernst, nit
allein den senfften, sonder auch den hefftigen, vnnd Ir alle sambt vnnd sonder, das ir
mit rechter vnnd ongeferbter lieb, wie sichs von frommen vnnd christlichen leuten er—
fordert, den andern genaigt, schaden zue wenden, frommen zschoffen, vnnd euch zue
entzihen von allem bösen vnnd allen offentlichen sundern, domit ir nit lust vnnd lieb
hoben an denen, den got feindt ist, vnnd nit schuldig werden an eurn brudern. Das
ist des hern beuelch, das wie ir durch den tauff seindt eingeleibt ihm zum ewigen
leben durch Jesum Christum, also auch durch lieb vnd gedechtnus des heilgen leidens
ir vndernander eingeleibt werendtꝰ) alle vnserm hern Jesu Christo.
Bekhen nun ein ieder got sein sundt vnnd leg von ihm ab allen widerwillen
gegen seinem bruder vnnd nem also das heilig sacrament des hern leibs vnd pluts.
Amen.
Schleiermacher als Liturgiker
von August Ernst, Pfarrer in Hürtigheim im Elsaß.
Es giebt Männer — und gerade die bedeutendsten haben dieses Los —, deren Name
täglich fast genannt und gerühmt wird, während ihre Gedankenwelt doch recht unbekannt und
unbenützt bleibt. Mich dünkt, ein solcher ist Schleiermacher, der oft und hoch gepriesene Be—
gründer unserer Theologie. In Bezug auf das Gebiet des Gottesdienstes, ist die Nichtachtung
Schleiermachers und die Unkenntnis Schleiermacherscher Grundsätze 3. B. aufgezeigt worden
durch Friedrich Spitta, besonders in seiner 1893 erschienenen Schrift: „Der Entwurf der preu—
ßischen Agende. Liturgische Betrachtungen über die Form der Gemeindegottesdienste.“ Und
doch läßt sich, was Spitta darin GSeite 7, Anm.), bezugnehmend auf eine scharf kritische
liturgische Schrift Schleiermachers, behauptet, getrost fast allen seinen Gedanken über den
Gottesdienst nachsagen: „Das meiste von dem, was er sagt, ist noch heute so schlagend wie
vor sechzig Jahren.“ Darum ist es gewiß Aufgabe der „Monatschrift für Gottesdienst und
kirchliche Kunst“, Schleiermachers liturgische Grundsätze einmal wenigstens im großen und
ganzen mitzuteilen, um dadurch zur Beschäftigung mit diesen anzuregen, um so mehr, als
man nicht einfach auf eine wirkliche „Liturgik“ Schleiermachers verweisen kann. Wir haben
von seiner Hand keine ausgeführte Darstellung irgend einer Disziplin der Praktischen Theo⸗
logie. So bleibt nichts übrig, als Schleiermachers Gedanken über den kirchlichen Gottesdienst
zu suchen, wie sie sich zerstreut in seinen Schriften finden, um sie in loser Reihenfolge zu—
sammenzustellen. Auf Vollständigkeit macht diese Zusammenstellung keinen Anspruch; die
Ausführlichkeit hängt jeweilig ab von der Fülle und Wichtigkeit des gefundenen Materials.
9 Gewiß Schreibfehler für „vermanungen“.
5P Zuerst „seindt“ geschrieben.