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von „der“ da draußen. „Sehn S',“ bekräftigte sie ihre Aus—
sage, „da hats halt wieder nach dem einfältigen Hanni aus—
gschaut und hätt' sich dabei überfahren lassen!“
Da ich somit wußte, daß meine wohlbeleibte Freundin die
Rivalin jenseits der Brücke nicht leiden konnte, begriff ich instinktiv,
daß es sich hier um Brotneid handelte und stellte mich als
Bundesgenosse an ihre Seite. Was ich mit meinen Kinderaugen
nur immer an verächtlichen Blicken fertig bringen konnte,
schleuderte ich gewissenhaft auf den einladend ausgebreiteten Kram
unserer Feindin. „Nie,“ gelobte ich mir hoch und heilig, „sollte
sie einen Pfennig von mir einnehmen!“
Die Rettel und der Hanni! — Die beiden beschäftigten
meine kindliche Phantasie ungemein. Warum war sie dem bar—
füßigen, blassen „Gassenjungen“ mit dem struppigen blonden
Hhaar so gut? Warum streckte sie mir, der ich blankgewichste
Stiefel trug, wie die Leute sagten, ein schöner, rotbackiger Bub
war und alles bei ihrer Großmutter kaufte, immer die Zunge
heraus, sobald ich mich ihr in der freundlichsten Art näherte ?
Ja, warum? Damals war es mir unbegreiflich, jetzt weiß ich
warum. „Was ein Häkchen werden will, muß sich bei Zeiten
krünmmen!“ In dem Mädchen war Rasse und Charakter, sie
kannte und wollte nur ihresgleichen. Daß die Rettel durch ihre
Abkunft als Tochter eines Karusselbesitzers in meiner Achtung
riesig gestiegen, war gewiß! Einen Karusselbesitzer zum Vater
haben, schwebte mir als höchstes Glück vor. Ich achtete und
liebte meinen guten Vater sehr; aber zu einem „Karusseldreher“
hatte er es zu meinem Bedauern leider nicht gebracht! ...
Endlich gelang es meinem Scharfsinne, dem Geheimnis
auf die Spur zu kommen, das meine beiden Helden so eng ver—
band. Als ich wieder einmal vergeblich unter dem „Hallerthürlein“
nach der Rettel ausschaute, machte ich flugs eine kleine Schwenkung
nach rechts hinter die Stadtmauer und kam gerade recht, um
Zeuge eines unvermuteten Anblickes zu werden. Ganz oben auf
den morschen Stufen einer alten, zum Kranze der Stadtmauer