Volltext: Zu Nürnberg

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„Es ist nicht wahr! nicht wahr!“ — kreischt mit schriller 
Stimme die Schlafende. 
Frau B. trocknet eilig die thränenbethauten Augen und legt 
sanft ihre kühlen Hände auf die brennendheißen des Mädchens. 
Allmählig scheint dieses vom Schlafe zu erwachen. Mit 
angstvoll fragendem Blicke sieht sie um sich, da hört sie das 
Wasser unter den Fenstern rauschen. Bitterlich weinend schlägt 
sie die Hände vor's Gesicht. — Die liebevolle Frage: „Was ist 
Ihnen, mein liebes Kind ?“ läßt die Fremde aufhorchen. Solche 
Anrede scheint sie in Erstaunen zu versetzen. „Warum heißen 
Sie mich nicht den Schatz des Mörders?“ — fragt sie — 
„Alle sagens doch!“ 
„Nun erzählen Sie mir einmal hübsch ruhig, was Ihnen 
die Menschen gethan haben, mein armes Kind, und dann sage 
ich Ihnen, warum ich Sie nicht so nenne!“ Verwundert blicken 
die großen Augen der Angesprochenen bald auf die Dame, bald 
auf den Herrn, der ihr den Puls fühlt. 
„Er geht bereits ruhiger,“ erklärt er. „Erzählen Sie uns, 
armes Rind! Vielleicht vermögen wir Ihnen zu helfen.“ 
Unter Schluchzen, oft von heftigen Weinkrämpfen unter— 
hrochen, berichtet das Mädchen: 
„Der alte Gärtner beim Herrn von Kreß, das war mein 
Hroßvater. Bei dem bin ich aufgewachsen, weil der Vater und 
die Mutter schon lang tot sind. 
Sein Gehilfe das war der Hans. Und weil wir uns gern 
gesehen haben, so ist er mein Schatz geworden. Dem Großvater 
war's ganz recht. Dann ist der schöne alte Garten verkauft 
worden, weil's den Leuten auf einmal eingefallen ist, sie müßten 
dort oben eine Straße haben, damit man um den ganzen 
Hraben gehen könnt. — Und wie dann vor zwei Jahren die 
zwei großmächtigen Brücken) gebaut worden sind, war's gar rum 
1) 1847 hat der Magistrat einen Teil der großen von Kreß'schen und von Haller'schen 
Gärten zuͤr Anlegung des fehleuden Teiles der Fahrstraße zwischen Wöhrder-, und Frauenthor 
angekauft. Baurat Solger führte die beiden Bruͤcken über den zweiarmigen Einfluß der Pegnitz 
in die Stadt auf. Seitdem geht die Fahrstraße um den ganzen Ring der Stadtmauer.
	        
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