Volltext: Zu Nürnberg

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Mai war's und das junge Glück der Beiden blühte um 
die Wette mit den vielen üppig wuchernden Blumen des Gärt— 
chens, das zum Haus gehörte. Und als es abermals Mai ge— 
worden, da hatte ein rosiges Menschenknöspchen in der sauberen 
Wiege gelegen. Die Mutter war schön, doch noch schöner ver— 
sprach die Tochter zu werden. Das war die Resi. 
Fünf Jahre waren vergangen, Glück und Blumen hatten 
alljährlich um die Wette geblüht. Doch als der sechste Sommer 
seinen Schmuck zu Grabe getragen, da war auch ein BReif ge— 
fallen auf das harmlose Glück im Thorwarthäuschen. 
Ein gar arger Feind hatte sich eingeschlichen und drohte 
das Glück zweier Menschen zu untergraben. 
Die Versuchung zum Bösen war an Frau Anna herange— 
treten in gar verführerischer Gestalt; und ach, sie hatte gemeint, 
ein wenig nippen am Becher verbotener Freuden sei noch kein 
Unrecht! Sie wollt' sich schon hüten, zu tief hinein zu sehen! — 
Es war ja so schön, sich von dem „feinen Stadtherrn“ bewundern 
zu lassen! 
Er verstand so artig zu reden, wenn er in der Dämmer— 
stunde aus dem dunkeln Burgthor geschritten kam und am kleinen 
häuschen den Schritt hemmte. 
Wie feine, süße Worte wußte er der schönen Thorwärterin 
über die Hecke hinweg zuzuflüstern — wie bewunderte er ihre 
Schönheit! Wie eitel Musik schmeichelten seine glatten Reden 
ihrem willig lauschenden Ohr. 
So konnte freilich ihr Görg nicht sprechen. Daß sie schön 
war, sah er wohl gar nicht mehr. 
Allmählig schwoll der Groll gegen ihren biedern Mann, 
der ihr nichts von den Liebeständeleien des Andern zu sagen 
verstand, immer mehr an, verbitterte ihr Herz gegen ihn, mit 
dem sie bisher in anspruchslosem Glücke gelebt hatte. 
Ja, die böse Lust ist eine glatte, schillernde Schlange, die 
sich ganz sacht und sanft einzuschleichen versteht, um das Dasein 
ihres thörichten Opfers zu vergiften! Anfangs hatte Frau Anna
	        
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