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In ganz ungezwungener Weise bot sich da für unseren Bezirksverein Ge—
legenheit, die Frage der Durchführung der allgemeinen Volksschule auch in Nürnberg
zur Diskussion zu stellen, indem er — den prinzipiellen Standpunkt in beregter
Sache wahrend — folgende Beschlüsse faßte und publizierte:
„L. Der Bezirkslehrerverein Nürnberg-Stadt steht, wie der Bayerische und
Deutsche Lehrerverein, auf dem Boden der allgemeinen Volksschule, welche die
gesamte schulpflichtige und bildungsfähige Jugend aller Bevölkerungsklassen
bis zum Eintritt der Kinder in höhere Lehranstalten aufnimmt, wie dies z. B.
in München, Augsburg, Würzburg u. s. w. bisher schon der Fall war und
sich bestens bewährt hat.
2. Er erblickt in der angeregten Reorganisation der höheren Töchterschule
eine geeignete Gelegenheit für die städtischen Kollegien, der Frage der Einführung
der allgemeinen Volksschule näher zu treten und dieser Institution, für welche
nicht nur gewichtige pädagogische, sondern auch ethische, sozialpolitische und
national-ökonomische Gründe sprechen, durch Aufhebung der Klassen ITIII an
den Töchterschulen und der städtischen Handelsschule auch in Nürnberg zum
Durchbruch zu verhelfen, was um so eher möglich sein dürfte, als der hochent—
wickelte Stand des hiesigen Volksschulwesens hinreichend Gewähr bietet, daß
unsere Schulen vollständig in der Lage sind, den Kindern die zum Eintritt in
eine höhere Lehranstalt erforderlichen Kenntnisse zu vermitteln“ u. s. w.
Die im Jahre 1884 erschienene Broschüre (Verfasser K. Knab): „Die Real—
schulen in Bayern und ihre Gegner. Ein Wort zum Schutze der
Volksschulen“. Herausgegeben vom Boyerischen Volksschullehrerverein. Selbst—
verlag, Nürnberg, obere Krämersgasse 22, eine notwendige Richtigstellung betreffs
der geringen Wertschätzung der Volksschularbeit und eine kräftige Abwehr hinsichtlich
der schweren und unerwiesenen Vorwürfe gegenüber den Volksschullehrern, wie sie
in einer Broschüre ähnlichen Titels*) zum Ausdruck kamen, ist einem im hiesigen
Bezirksvereine erstatteten Referate in gleichem Betreffe ent—
sprungen und deren ungesäumte Herausgabe durch Vereinsbeschluß beim Haupt—
ausschuß seinerzeit beantragt worden.
In den, Jahren 1885 und 1886, zu jener Zeit, da sich die Klagen gegen die
Lehrer wegen UÜberschreitung des Züchtigungsrechtes mehrten und zwar zumeist
deshalb, weil die betreffenden Züchtigungen — obschon gewöhnlich leichter Natur
— nicht mit der vorschriftsmäßigen Rute oder dem erlaubten Stäbchen ausgeführt
worden waren (es erfolgten bekanntlich zu jener Zeit wiederholt Lehrerverurteilungen
wegen Außerachtlassung dieses formellen Moments bei der Züchtigung) hat unser
Verein wiederholt über die Frage des Züchtigungsrechtes verhandelt und ist in
Frage der Schulstrafen — nicht aber wegen Erweiterung des Züchtigungsrechtes,
sondern wegen der Einseitigkeit der diesbezüglichen Bestimmungen vom Jahre
1815 — sogar beim Kgl. Kultusministerium vorstellig geworden.
Ob damit Veranlassung zur Anbahnung einer nun thatsächlich geübten
milderen Praxis in Beurteilung geringfügiger körperlicher Züchtigungen seitens der
Lehrerschaft gefunden werden kann, ist nicht bekannt.
Über Einrichtung von Schulen für Schwachsinnige hat unser Verein
in den letzten 3 Dezennien dreimal verhandelt.
Im Jahre 1871 wurde ein dahin zielender Antrag einfach abgelehnt; im
Jahre 1887 stellte man sich günstig zu dieser Sache, erachtete es indes für not—
wendig, erst noch Erhebungen uüber die Einrichtung derartiger Anstalten zu pflegen,
womit die Angelegenheit für diesmal abgethan war, und erst im Jahre 1893 be—
schloß man, der Sache näher zu treten und die Schaffung solcher Klassen auch für
Nürnberg anzuregen. Indirekt und vorbereitend sollte dies dadurch geschehen, daß
*») „Die Realschule in Bayern und ihre Gegner. Ein Versuch zur Verständigung
über die Realschulfrage“. Erschienen 1884 bei Chr. Kaiser-München.