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Volksschule Bayerns (Verfasser Leykam), der in Broschürenform erschienen
ist und mit Recht größere Verbreitung fand, weil er in gründlichster Weise eine
auf wirklich pädagogischen Prinzipien fußende Reform auf dem Gebiete des
Religions-Unterrichts anstrebte, indem er neben der notwendig erscheinenden Ver—
ringerung des religiösen Memorierstoffes“), namentlich auch eine zweckmäßige Ver—
bindung desselben mit der Heilsgeschichte ins Auge faßte.
Trotzdem die betreffende Schrift in überzeugendster Weise**) nachwies, daß es
nicht sowohl auf das „Wieviel“, sondern auf das „Wie“ auch in dieser Unterrichts—
Parte ankomme und gerade darauf hier erst recht, und in bestgemeinter Absicht den
Weg zeigen wollte zu besseren, nachhaltigeren Erfolgen auch auf dem Gebiele des
Religionsunterrichtes — glich sie doch dem Prediger in der Wüste.
Zwar, hat die kirchliche Oberbehörde, welcher die erwähnte Schrift zugesandt
ward, gebührende Berücksichtigung der Vorschläge verheißen; aber leider erklärten
sich verschiedene Diözesen rundweg dagegen. Der Kampf um die beregte Sache
eutbrannte insbesondere stark im Korrespondenzblatt für evangelisch-lutherische
Geistliche, und es war namentlich Herr Bezirkshauptlehrer Starck von hier, welcher
die Nürnberger Vorschläge geschickt und mit Ausdauer verteidigte und alle Angriffe
darauf in trefflichster Weise widerlegte; freilich, ein greifbarer, praktischer Erfolg
resultierte nicht aus unserm Beginnen.
1863 wurde die Herausgabe 2- und Z3stimmiger Choräle durch den Verein be—
schlossen und bald darauf ausgeführt. Eine nelie Auflage davon erschien im
Jahre 1872. Zur Zeit sind die vom Kollegen Kamberger 2- und 3stimmig aesetzten
Choräle — ministeriell genehmigt — im Gebrauch.
In der 1. Hälfte der 70er Jahre wurde das Nürnberger Lesebuch
— Eigentum des Pestalozzistifts (s. S38) — einer gründlichen Umarbeitung unter—
zogen; die Kommissionen hiefür wurden zu jener Zeit“**9) stets im Lehrerverein gewählt,
und es wurde im Verein auch stets über den jeweiligen Stand der Sache Mit—
teilung gemacht; ja, im Jahre 1870 hat sogar der Bezirkslehrerverein auf Antrag
des Vorsitzenden des Pestalozzistifts, Gg. Ringler, beschlossen, die erforderlichen
Schritte zu thun, damit das exwähnte Lesebuch ministeriell genehmigt werde.
Im Jahre 1871 stellte der Bezirkslehrerverein an die Schulkommission die
Bitte, die Bergerschen Schönschreib-Alphabete in den hiesigen Volksschulen
ovorzuschreiben, und am 5. November 1886 ward beschlossen, die Lokalschulkommission
zu bitten, die von einer Kommission des Bezirksvereins (Obmann Buchuer)
entworfenen Buchstaben- und Ziffernformen samt der vorgeschlagenen
) In einem Protokoll vom 5. Juli 1862 lesen wir schon: Herr A. Hoffmann
wünscht, es möge eine Kommission von Lehrern gebildet werden, welche die Aufgabe
hätle, die vom Kgl. Dekanate gewünschte Reduktion der in der Schule zu lernenden
Bibelsprüche beratend vorzubereiten. — Auch im Jahre 1865, 1869, 1872 und einmal an—
fangs der 8Wder Jahre verhandelte der Verein über diese Materie. —
*5) Siehe Seite 6 dieser Schrift, wo wir unter anderem folgendes finden: „Welches
sind die Früchte dieser ausgedehnten Gedächtnis— und Verstandesübungen? Gibt es auch
nur einen Geistlichen, der durch ein besonders lebhaftes religiöses Interesse
seiner christenlehrpflichtigen Jugend je erfreut würde, oder der nicht mit tiefer Betrübnis
wahrnehmen müßte, wie rasch der mit fo großem Aufwand an Zeit und Mühe aufge—
führte Gedächtnisbau verwittert und zerfällt“ Und ift nicht die Zahl derer überaus groß,
die nach beendigter Schulzeit den ganzen Gedächtnisstoff und damit leider auch die
Religion selbst, die sie soviel und so schwer „gelernt“ und „gemerkt“, aber so wenig
als den Inhalt des Herzens und Lebens erfaßt haben, wie einen unnützen Ballast über
Bord werfen? Ohne Zweifel hat der religiöse Indifferentismus, der so breite Schichten
unseres Volkes ergriffen hat, mit seinen Grund in der Übersättigung mit Verständes—
und Gedächtnisstoff und in der den Bedürfnissen der kindlichen Seele oft so wenig ent—
sprechenden Methode des bisherigen Religionsunterrichtes.“
***) Später besorgte der Ausschuß des Pestalozzistifts derartige Arbeiten selbst!