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IV. KAPITEL.
Dürers künstlerische Leistung
bei der Darstellung des christlichen Ritters.
Wir sahen im vorigen Kapitel Dürers gerade wegen der
Tiefe der gedanklichen Erfindung so viel bewundertes Blatt in-
haltlich wie künstlerisch herauswachsen aus der mystischen Volks-
litteratur und den religiösen Flugblättern des 15. Jahrhunderts.
Ob jener Holzschnitt von. 1488 und das im Text so nahe
verwandte Heidelberger Ritterbüchlein von 1494 und 1499 nun
gerade die Vorbilder gewesen sind, die Dürer bei‘ der Schaffung
seines Kupferstiches vorgeschwebt haben, lässt sich wohl kaum
feststellen. Es können ja viele ganz ähnliche illustrierte Schriften
und Einzelblätter existiert haben, von denen wir keine Kunde
mehr oder noch nicht wieder besitzen. Warum soll es nicht auch
schon Darstellungen des christlichen Ritters zwischen Tod und
Teufel gegeben haben, so gut wie die des Pilgers zwischen Tod
und Teufel die noch viel direkter zu Dürers Stich hinleiten, als
jene beiden mir nun zufällig bekannt gewordenen Holzschnitte?
Das Thema lag in der Luft und wenn man z. B. in der Gedicht-
sammlung Sebastian Brants! blättert, fühlt man deutlich, wie
nahe schon in-der Jugend unserm Dürer verwandte Darstellungen
gebracht worden’ sein müssen.
So finden sich z. B. in der Ausgabe von 1498, die im Verlage
von Bergmann ‚von Olpe in Basel erschien, mehrere ‘ Gedichte,
die das Verhältnis des Todes zum Menschen behandeln. In-
teressant ist darunter namentlich eines: „Wie sich ein Kriegsmann
brüstet, der den Tod verachtet.‘“? Es handelt sich nicht um den
christlichen Ritter, sondern um einen Landsknecht, — ein Thema,
das ja auch Dürer mehrfach angeschlagen hat, so in dem neben-
bei abgebildeten Holzschnitte von 1510 (Abb. 3), der ein Flugblatt
zierte. zu welchem Dürer selbst ein langes Gedicht über Gottver-
1 Den Hinweis verdanke ich Herrn Dr. Ludwig Kämmerer.
2 Marcialis hominis tumultuariique militis et mortem contemnentis
jactatio. Carmina varia conscripta a Seb. Brant, Basel 1498.