33
gestalten, trat uns in der. geistlichen Litteratur, die wir soeben
zusammen überschaut haben, bisher noch keine so ganz zwin-
gende Parallele entgegen, wenigstens keine, die es in der Be-
ziehung mit der Stelle aus Erasmus Handbüchlein an Klarheit
und Bestimmtheit hätte aufnehmen können, wenn auch Vverein-
zelte Klänge der Art verschiedentlich an unser Ohr schlugen‘ und
der Gedanke selbst in der Regel im Hintergrunde stand.
Nun jener Holzschnitt, von dem die nebenstehende Licht-
drucktafel eine nur wenig verkleinerte Nachbildung giebt, stellt
zwar nicht den christlichen Ritter dar, wie er verächtlich an Tod
und Teufel vorüberzieht, wohl aber den christlichen Pilger in
genau derselben Auffassung. Der Pilger war aber in jener Zeit
eine ganz verwandte und fast ebenso beliebte Allegorie, eine
Einkleidung fast genau derselben Gedanken, wie man sie in das
Thema vom christlichen Ritter hineinzulegen beliebte. Bücher
über die christliche Pilgerschaft, Hinweisungen auf den Pilgerstand
des menschlichen Lebens, Ausdeutungen der einzelnen Ausrüstungs-
stücke des Pilgers sind in der. mystischen Volkslitteratur und in
den Predigten des ausgehenden... 15. ‚und beginnenden 16. Jahr-
hunderts fast ebenso häufig... wie‘ die über die geistliche Ritter-
schaft. Wie der volkstümlichste;Prediger der Zeit, Geiler von
Kaisersberg, über die cHfistliche. Ritterschaft gepredigt hatte, so
auch über die „christliche“ Pilgerschaftt‘, Im Jahre 1494 erschienen
die Predigten über dieses Tfemä nach Aufzeichnungen seiner
Zuhörer zu Augsburg im Druck unter dem Titel „Der Pilger“,
in erweiterter Fassung dann als „christenlich bilgerschafft zum
ewigen vaterland‘““ zu Strassburg 1510 und Basel 1512, reich illu-
striert mit Holzschnitten von Urs Graf, ein Werk, das noch
mehrmals aufgelegt wurde und grosse Verbreitung gewann. Dies
nur ein Beispiel aus der reichen Pilgerlitteratur jener Jahrzehnte.
Die Verwandtschaft jener Holzschnittdarstellung von 1488
mit Dürers Stich ist überraschend. Voll festen Gottvertrauens
schreitet der Pilger auf der Brücke des Lebens vorwärts. In die
Schrägbalken derselben stehen seine Lebensstufen von 5 zu 5
Jahren eingegraben. Des Pilgers Stossgebet lautet (auf dem
Spruchband über seinem Haupte)
O her du warst, pist gnädig mir,
Dein will gescheh, hilf mir zu dir.