Volltext: Beiträge zu Dürers Weltanschauung

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gestalten, trat uns in der. geistlichen Litteratur, die wir soeben 
zusammen überschaut haben, bisher noch keine so ganz zwin- 
gende Parallele entgegen, wenigstens keine, die es in der Be- 
ziehung mit der Stelle aus Erasmus Handbüchlein an Klarheit 
und Bestimmtheit hätte aufnehmen können, wenn auch Vverein- 
zelte Klänge der Art verschiedentlich an unser Ohr schlugen‘ und 
der Gedanke selbst in der Regel im Hintergrunde stand. 
Nun jener Holzschnitt, von dem die nebenstehende Licht- 
drucktafel eine nur wenig verkleinerte Nachbildung giebt, stellt 
zwar nicht den christlichen Ritter dar, wie er verächtlich an Tod 
und Teufel vorüberzieht, wohl aber den christlichen Pilger in 
genau derselben Auffassung. Der Pilger war aber in jener Zeit 
eine ganz verwandte und fast ebenso beliebte Allegorie, eine 
Einkleidung fast genau derselben Gedanken, wie man sie in das 
Thema vom christlichen Ritter hineinzulegen beliebte. Bücher 
über die christliche Pilgerschaft, Hinweisungen auf den Pilgerstand 
des menschlichen Lebens, Ausdeutungen der einzelnen Ausrüstungs- 
stücke des Pilgers sind in der. mystischen Volkslitteratur und in 
den Predigten des ausgehenden... 15. ‚und beginnenden 16. Jahr- 
hunderts fast ebenso häufig... wie‘ die über die geistliche Ritter- 
schaft. Wie der volkstümlichste;Prediger der Zeit, Geiler von 
Kaisersberg, über die cHfistliche. Ritterschaft gepredigt hatte, so 
auch über die „christliche“ Pilgerschaftt‘, Im Jahre 1494 erschienen 
die Predigten über dieses Tfemä nach Aufzeichnungen seiner 
Zuhörer zu Augsburg im Druck unter dem Titel „Der Pilger“, 
in erweiterter Fassung dann als „christenlich bilgerschafft zum 
ewigen vaterland‘““ zu Strassburg 1510 und Basel 1512, reich illu- 
striert mit Holzschnitten von Urs Graf, ein Werk, das noch 
mehrmals aufgelegt wurde und grosse Verbreitung gewann. Dies 
nur ein Beispiel aus der reichen Pilgerlitteratur jener Jahrzehnte. 
Die Verwandtschaft jener Holzschnittdarstellung von 1488 
mit Dürers Stich ist überraschend. Voll festen Gottvertrauens 
schreitet der Pilger auf der Brücke des Lebens vorwärts. In die 
Schrägbalken derselben stehen seine Lebensstufen von 5 zu 5 
Jahren eingegraben. Des Pilgers Stossgebet lautet (auf dem 
Spruchband über seinem Haupte) 
O her du warst, pist gnädig mir, 
Dein will gescheh, hilf mir zu dir.
	        
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