Volltext: Beiträge zu Dürers Weltanschauung

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„dass wir gern viel wüssten, dadurch zu bekennen eine rechte 
Wahrheit aller Dinge. Aber unser blöd Gemüt kann zu 
solcher Vollkommenheit aller Kunst, Wahrheit und 
Weisheit nicht kommen“. 
Es war eben dem Menschen dieser Zeit. unmöglich gemacht, 
der fröhlichen Hoffnung zu leben, dass er Gott auch auf. diesen 
neuen Wegen der Erkenntnis finden könne. Vielmehr drohte bei 
der Beschäftigung mit ihnen immer die grosse Gefahr, dass man vom 
wahren Ziele nur ‚weiter abkomme, dass der innere Frieden, die 
Gemeinschaft mit Gott, die Demut dabei verloren gehe... Nur zu 
leicht verführte ja das weltliche Forschen die Seele zum Hochmut. 
Wie das der „Spiegel der Tugend“, im 15. Jahrhundert so schön 
sagt: 
erkennestu dich, des geloube mier, 
sö bistü wiser den ob dü alle tier 
erkentes, crüt, vogel unde steine, 
dar zuo daz gestirne allgemeine .... 
vermit höchvart unde nit 
hazze ruom zuo aller zit.1 
Schon im 14. Jahrhundert finden wir bei dem mystischen 
Dichter der „Tochter Sion“, dem „Mönche von Heilsbronn‘“ in 
den Gesprächen der Seele mit den christlichen Tugenden die Belehr- 
ung, dass die wahre ‚„Sapientia‘‘ nur die Gottesminne sei. 
Gip urlaub allem daz der ist, 
Verlaugen daz du selber pist, - 
Fleuge uber dich selben höch empor !2? 
Noch enger mit unserem speziellen Thema berührt sich das 
Gedicht des kaiserlichen Rates Heinrich von Mügeln, der 
am Hofe Karls IV. zu Prag sich aufhielt. Drei Mal hat er die 
freien Künste, — zum Teil mit Einschluss einiger mechanischen —, 
zum Gegenstande seiner Dichtung gemacht, zuerst in den „septem 
artes‘“, dann in dem Liede „von allen frien kunsten“ und am 
ausführlichsten in „der meide kranz“.*? Hier treten nach ein- 
ander die Philosophie, die sieben freien Künste, die Physik, Al- 
1 Hrsgb. von Haupt, Altdeutsche Blätter I, 88 fg. Vers 309 fg. 
2 Der Mönch von Heilsbronn, hrsgb. von Th. Merzdorf, Berlin 
1870, S. 138. Vgl. auch Preger, Gesch. d. deutschen Mystik II, 40 fg 
3 Vgl. Schröer. Wiener Sitzungsberichte 55, Bd. (1867). S. 4742
	        
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