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geändert. Durch die Entdeckung fremder Länder und ganzer Erd-
teile_war der Blick weiter, die Welt grösser geworden. Die
Kenntnis der Natur hatte überraschende Fortschritte gemacht,
umwälzende Erfindungen folgten sich Schlag auf Schlag. Der
menschliche Geist war vom mittelalterlichen Schlummer erwacht,
mächtig wurde er durch tausend Dinge vorwärts getrieben auf
der Bahn neuer Erkenntnis. Die neue Kunst der Druckerei gab
jedem die Mittel an die Hand, ‚selbständig zu forschen, eigene
Urteile sich zu bilden. Eine Kultur der. Laien war erstanden neben
der kirchlichen, weltliche Wissenschaft _erwuchs von Jahrzehnt zu
Jahrzehnt mit ungeahnter Grösse, Unmöglich konnte sie sich weiter
noch als eine blosse Vorstufe zur heiligen Theologie betrachten.
In dem erstarrten kirchlich-mittelalterlichen‘ Systeme der Wissen-
schaften war ja ohnehin kein Raum für sie. Die Kirche stand
still. Für sie war es ihrer ganzen Natur nach gar nicht möglich,
mit der Zeit fortzuschreiten. Sie verschanzte sich hinter ihrer alt-
geheiligten Autorität als Verwalterin der Gnadenmittel und. als
einzige Quelle der wahren Erkentnis, ohne die geringsten Zuge-
ständnisse zu machen. Der neuen geistigen Grossmacht der Zeit
aber, dem weltlichen Wissen und Erkennen, fielen die Herzen
aller derer zu, die es begriffen, dass die Parole der neuen Zeit nur
heissen könne: Vorwärts! Eine stetig sich vertiefende Kluft
trennte das mächtig ausschreitende weltliche Wissen am Ausgang
des Mittelalters von dem bewusst stagnierenden kirchlichen Wissen.
Noch aber stand man „nur mit einem halb zögernd ausgestreckten
Fusse jenseits der Grenzmauern kirchlicher Weltanschauung“. !
Denn nicht umsonst hatte die allmächtige Kirche seit Jahrhunderten
mit Schrecken und Furcht ihre Herrschaft über die Gemüter be-
festigt. Nur zu deutlich empfand man, dass dieser ganzen welt-
lichen Wissenschaft und Erkenntnis die Heiligung, der „Rechts-
titel von Gott“ fehle. Und selbst die Einsichtigsten konnten sich
der zweifelnden Frage nicht. erwehren, ob nicht am Ende doch
die Kirche allein im Besitze der Wahrheit sei. Dazı wusste die
* Arnold E, Berger «Die Kulturaufgaben der Reformation», Berlin
1895 S. 82 fg., wo diese ganze Entwicklung höchst anschaulich ge-
schildert ist, Ich schliesse mich im folgenden in vielen Gedanken an
jene Darstellung an.