Ein Kapitel der Selbstbiographie. 141
Am 16. Oktober 1829 schwänzte er eine Unterrichtsstunde: „er ging
ans Thor.“ Der schon oft hintergangene Daumer stellte ihn zur
Rede, Kaspar leugnete aber hartnäckig, und ließ es auf das Äußerste
ankommen: der Herr Professor „möge nur nachfragen lassen.“ So
brachte dieser aber am Samstag Morgen, den 17. Oktober, in Er—
fahrung nicht bloß daß Hauser diese eine Stunde am Freitag,
sondern daß er sie schon während der ganzen Woche verabsäumt hatte!
Daumer setzte ihm auf das ernstlichste zu, hielt ihm in starken Zügen
die Folgen seiner Unwahrhaftigkeit vor, wandte sich mit Unwillen
von ihm und äußerte zu seiner Mutter, sie möge den Lügner mit
Verachtung strafen und von ihm gar keine Notiz nehmen, während
Daumer Einleitungen treffen wolle, ihn aus dem Hause zu entfernen.
Unmittelbar nach diesem unliebsamen Auftritt ging Daumer aus,
und bis er zurückkehrte, hatte das unbekannte Ungeheuer der Selbst—
biographie versucht — den armen Kaspar zu ermorden.
Am 28. Oktober wurde diese wohlüberlegte Ergänzung der Selbst-—
biographie aus Kaspars eigener Erzählung zu Protokoll genommen.
Er wurde „bei vollkommenem Gebrauch seiner Geisteskräfte befunden,“
und deponierte:
„Ich heiße, so viel mir bekannt ()), Kaspar Hauser. Nach der
hier herrschenden Religion erhalte ich im evangelisch-lutherischen
Glauben bei dem Herrn Professor Daumer Unterricht, ohne daß ich
jedoch bis zur Zeit von einem Herrn Geistlichen zur Kommunion
selbst vorbereitet worden. Nach dem Inhalte des Briefes, der mir
mit hierher gegeben worden ist, soll ich den 30. April 1812 geboren
und sohin 17 Jahre alt sein, ohne daß mir der Ort meiner Geburt
oder meines jugendlichen Aufenthaltes jedoch bekannt ist. Seit dem
26. Mai 1828 bin ich bekanntlich dahier“ u,. s. w.
Kommissions-Note: „Von der Beeidigung des Kom—
parenten ward Umgang genommen, einesteils wegen Minderjährig—
keit, andererseits aber, weil dem Hauser ohnedies der erforderliche
Religionsunterricht annoch ermangelt.“
l. Kommissionsfrage: Geben Sie eine zusammen—
hängende Erzählung des Vorfalls vom 17. Oktober d. J. zu
Protokoll.