Volltext: Das Nachleben des Hans Sachs vom XVI. bis ins XIX. Jahrhundert

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Übermut, der uns an Goethes „Satyros“ erinnert, hat er 1799 das 
„Epikurisch Glaubensbekenntniß Heinz Widerporstens“ den über- 
schwänglichen Gefühlsergüssen Schleiermachers und Novalis, entge- 
yengestellt. Dem Realismus des Inhaltes entspricht der kräftigere 
Zuschnitt der Knittelverse, die oft des jambischen Charakters ent- 
jehren. Friedrich Schlegel hat dem „Glaubensbekenntniß Heinz 
Widerporstens“, der übrigens eine Hans-Sachsische Figur ist, gleich 
„Hans Sachs Göthes Manier“ zugesprochen.! 
Bei all den Versuchen der Romantiker, sich in den Geist 
Hans Sachsens einzuleben und in seinem Sinne gelegentlich auch 
zu dichten, würden wir es als einen Mangel empfinden, wenn nicht 
einer von ihnen aus tieferem poetischen Empfinden heraus das Bild 
Hans Sachsens festzuhalten gesucht hätte, Das hat denn auch der- 
jenige von ihnen getan, dem das reichste Innenleben beschieden 
war, Novalis. Eben hat er in den Fragmenten (1800) Shakespeares 
Poesie kurz ‚charakterisiert, da stellt er uns Hans Sachs vor mit 
den Worten: „Im Hans Sachse liegt der Entwurf einer eignen Art 
von allegorischer, sittlicher ächtdeutscher Mythologie“.* 
Die Hinneigung zur deutschen Vergangenheit, wie sie den 
älteren Romantikern innewohnt, hat auch die Jüngeren Romantiker 
erfaßt, sie haben die literarische Welt vergangener Jahrhunderte 
‚elbhaftig vor den Augen ihrer Zeitgenossen wieder erstehen lassen. 
Aber bei diesem Zurückgreifen auf die deutsche Vergangenheit 
spielt doch die eigene poetische Phantasie eine so stark eingreifende 
Rolle, daß unter dem romantischen Beisatz der alte Gehalt vielfach 
zerfließt. Selbst bei jenem Werke, das alte Überlieferung am treuesten 
wiedergeben sollte, dem „Wunderhorn“, hat die Phantasie der 
! Vgl. Aus Schellings Leben. In Briefen. 1. Bd., Leipzig, 1869, S. 282. 
Hier ist S. 282—289 das „Glaubensbekenntniß“ abgedruckt; Schelling hatte 
aur ein Bruchstück daraus veröffentlicht. „Haintz Widervorst“ in Huns Sachs, 
hg. von Keller, 5, S. 321—324. 
23 Novalis Schriften. Kritische Neuausgabe von Ernst Heilborn, 2. Theil, 
Berlin, 1901, S. 389. Dem angeführten Ausspruche von Novalis kann man 
aine Äußerung Aug. Ferd. Bernhardis nahe stellen: „ja was sind denn manche 
Sachen im Hans Sachs anders als Beweise für die Möglichkeit einer komischen 
Umbildung eines mystischen Stoffes?“ (Kynosarges. Hg. von Aug. Ferd. 
Bernhardi. 1. Stück, Berlin, 1802, S. 131). Unter den Jugendgedichten des 
Novalis schildert eines in Knittelversen frivole Liebesabenteuer (Schriften, 
1. Th., S. 472, Nr. 123).
	        
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