TH Snrich Wölfflin hat unlängst (im Jahrbuch der königlich preußi-
schen Kunstsammlungen, 1904, S. 196 ff) Dürers Dresdener
Altar einer kurzen aber lebhaften Besprechung unterzogen und seine
»Echtheit« bezweifelt.
»Wer der Autor gewesen ist — so sagt Wölfflin — weiß ich
nicht.«
Wenn jemand einem solchen Werk die bisher allgemein auch
von den gewissenhaftesten Kennern angenommene Autorschaft ab-
spricht, so dürfte man wohl wenigstens eine Andeutung erwarten,
in welcher Richtung der Autor zu suchen wäre. — Von einer
Fälschung kann schon wegen der Provenienz des Bildes nicht ge-
sprochen werden, es müßte also von einem Zeitgenossen Dürers
sein. Aber von wem? so minimal ist doch unsere Kenntnis jener
Zeit nicht — wie es etwa in der antiken Kunstgeschichte sein mag
— daß uns ein Meister von solcher Originalität einfach unbekannt
geblieben sein könnte. Das wäre dann einer der Meister, wie sie
zuweilen in unserer Wissenschaft vorkommen: er ist plötzlich wie
ein Meteor da, verschwindet ebenso plötzlich, schafft nur ein Werk,
das man bisher einem berühmten Kollegen zuschrieb — einem
Kollegen, dem das Meteor zum Verwechseln ähnlich sieht.
Ich halte es für durchaus zweifellos, daß der Dresdener Altar
von Dürer ist; ich meine sogar, um. dies gleich vorweg zu nehmen,
daß es sein interessantestes Gemälde ist.
Hermann Grimm hat einmal in seiner köstlichen Art gesagt:
»in der Kunstgeschichte gibt es keine Beweise; hinter jeder Be-