Volltext: Dürers Dresdener Altar

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Endlich gibt uns die interessante, als Jacobus Palma bezeichnete 
Madonna des Berliner Museums, Nr. 31, wieder andere Teile des 
gesuchten Motivs: das Kind liegt schlafend auf der Brüstung, auf 
ein Kissen gebettet, die Madonna wendet sich ihm zu, nach links 
hin: aber anstatt die Hände zu falten, hält sie ein Buch. — 
Ich glaube also, daß ein in der Mitte der neunziger Jahre gut 
bekanntes Bild des frühen Bellini das Kind auf einer Brüstung 
schlafend zeigte, auf ein Kissen gebettet, die Madonna wandte sich 
ihm nach links hin mit gefalteten Händen zu. Inhaltlich dasselbe 
Motiv kommt ja überall vor, aber die Deutschen haben es formal ganz 
anders gestaltet, und die Vivarini wieder anders. Der frühe Bellini 
bringt es mit dem ihm geläufigen paduanischen Schema der Brüstung 
zusammen: so entsteht das Bild, dessen Hauptzüge uns in Dürers 
Dresdener Madonna erhalten sind. Natürlich nicht bis in die Einzel- 
heiten hinein. Die Haltung der gefalteten Hände entspricht nicht 
der bellinesken Art (wo sie senkrecht stehen), sondern der nordischen 
Gewöhnung (wo das Kind am Boden zu liegen pflegt). Auch hat 
er den Rhythmus der Gruppierung nicht gesehen und deshalb auf- 
gelöst (wie bei seiner Orpheuskopie, vergl. Repert. f. Kunstwiss. 1903, 
S. 450). Die Gestaltung des Umrisses, in harter Greradlinigkeit, ver- 
gleiche man mit dem Umriß der eindrucksvollen stehenden Figur 
in der Beweinung der großen Passion, B. 13. — Die vorhin genannten 
venezianischen Madonnen sind Nachfahren des Bellinischen Originals, 
mit leichten Abwandlungen (vielleicht weil das Original zu bekannt 
war): die einen ändern die Stellung des Kindes, die andern die 
Tätigkeit der Madonna. 
Wem diese Hypothese zu kühn erscheint, der wird wenigstens 
ohne Widerspruch zugeben müssen, daß der Aufbau des Dürerschen 
Motivs durchaus im Bereich der von Padua angeregten venezianischen 
Kunst liegt. Nimmt man dazu, daß der deutschen Kunst dieser Auf- 
bau fremd ist, ferner, daß Dürer den Mantegna studiert und von Bellini 
mindestens gewußt hat (er sei »noch immer der beste im Gemell« 
schreibt er 1506), und endlich, daß er damals mehrfach italienische 
Motive in seine Arbeiten hineingenommen hat, so wird man gegen 
die Feststellung dieses Zusammenhanges nichts einwenden können:
	        
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