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die Glieder der „Familie Bonaparte“ nur in Preußen,
Oesterreich oder Rußland wohnen dürften. Die Groß—
herzogin suchte ihrer Cousine die bittre Pille zu versüßen
und sagte ihr in einem langen Briefe, wie trostlos sie wäre,
daß die Anforderungen der Politik nicht mit denen ihres
Herzens zusammenträfen:
„Habe Geduld“, schrieb sie ihr, ‚„verhalte Dich ganz ruhig;
vielleicht wird sich Alles im Frühjahr zu Deiner und aller
Welt Genugthuung ändern: bis dahin werden sich die
Leidenschaften beruhigt haben, vieles wird vergessen sein“.*)
Man sieht, daß Jahre und Erfahrungen den Cha—
rakter Stephanie's vortheilhaft entwickelt hatten. Was sie
in ihrem Briefe der Cousine sagte, war dasselbe, was
sie sich Tag für Tag selbst vorhielt. Dem Hasse, der jetzt
am badischen Hofe tonangebenden Parthei preisgegeben, in
gewisser Beziehung die „béête noir“ der großherzoglichen
Familie, hatte sie vor Allem gegen die Intriguen anzu—
gehen, durch welche ihr Gemahl zu einer Scheidung be—
stimmt werden sollte; sie fand hierbei im Großherzog selbst,
der ihr jetzt treu ergeben war, eine starke Stütze, trotz
der Verlegenheiten, welche ihm die Ankunft der Königin
Hortense bereitete. Diese gab übrigens das feierliche Ver—
sprechen, völlig abgeschieden von der Welt leben zu wollen;
sie ließ sich an der Grenze des Großherzogthums, nicht
weit von Constanz einstweilen nieder und verhielt sich auch
in der That ruhig.
x) Mademoiselle Cochelet: Mémoires sur la famille impériale II. 104
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