42
dem Unbefangensten fühlbar, und wahrhafte Trauer überkam
Jeden, der sah, wie neben nicht allzustrengem Dienst auch die
süßen Gepflogenheiten einer im Voraus noch nicht abzu⸗
schätzenden Aenderung, ob zum Besseren oder Schlimmeren,
entgegengingen.
4
Der letzte Tag der Abrüstung war gekommen, ein Theil
der Gebäude stand schon unheimlich leer; was militärisches
Geräthe und Rüstzeug hieß, war hinweggebracht, die Quartier⸗
macher der Garnison hatten die Festung schon verlassen, und
die Besatzung war im Abrücken begriffen. Wer noch ein
liebes Plätzchen wußte, verabschiedete sich von ihm; als der
letzte Festungsjunge (denn meine Kameraden, selbst der schlimme
Ferdi waren bereits nach Ingolstadt, Würzburg und München
übergesiedelt mit ihren Herren abkommandirten Eltern)
besuchte ich mit den Geschwistern der Reihe nach das kleine
Grab unseres Schwesterchens Emilie, dicht neben Obrist
Storchenaus kriegerischem Grabmal, und bestreuten es mit
bunten Astern, dann kam die Pulverwache, die gespenstig
hervorstarrende mit der Roßschwemme, wo noch ein Korporal
Enz'sches Mühlrädlein klapperte in stiller Waldeinsamkeit,
das Burggärtlein in schwindelnder Höhe über der Bären—
schlucht, der alte Steinbruch mit seinem umgeackerten Kirchhof
aus der 1700 er Zeit, die Freysinger Linde, wo die alte
Pudelmütze zum letzten Mal, zu Füßen der gewaltigen, leise
heulenden Donau der scheidenden Sonne entgegenblickte,
weiter zum Waschweiher, zur Erlenleite, zum gespenstigen
Holzkreuz, das ferneren haarsträubenden Sputgeschichten
entgegenträumte, dann über den Enzenstein nach dem Fürsten—
weg, die Schnaittacher Steige hinan, an der schaurigen
Schafhütte vorbei mit dem armen Tambourl, der sich in
einen schwarzen Pudel verwandelt hatte, und (Mundvorrath
führten wir bei uns, da wir den Eltern an diesem Tage
überall im Wege waren und Urlaub bis Abend hatten) kamen
spät zur Festung zurück, wo Korporal Kalbfleisch von der
Thorwache trübselig in seinem Rapportbuche blätterte.
Es war ein Familien-Hausumzug im großen Style mit
all' seinen Schmerzen.