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Dabei mußte jedoch seitens der Posten jede Vertraulich—
keit ihren Pflegebefohlenen gegenüber bei Seite gelassen
werden, wie Nr. 207 vom 1. Juni 1834 reskribirt:
„Durch Kgl. Kommandantschaftsbefehl wird wieder—
holt in Erinnerung gebracht, daß sich die Soldaten
jeder Vertraulichkeit gegen die Schanzsträflinge ent—
halten und bei denselben in Respekt zu setzen sich
vielmehr angelegen sein lassen.“
Wenige Wochen später erschien in Nr. 219 eine neue
eindringliche Verfügung des Inhaltes:
„Die Uebertretung des Befehls, sich mit einem
Schanzsträfling zu unterhalten — Münchener Kriegs—
ministerialstyl! — noch weniger einen derselben an die
Schußscharten gehen zu lassen, und sich daselbst auf—
zuhalten, wird an dem betreffenden Posten am
Blumenhof mit 48 stündigem Strafstubenarrest unter
Nachverrichtung seines Dienstes bestraft.“
Die Erlassung dieses Ukases hatte folgendes Idyll (oder
was?) zur Veranlassung, das Schreiber dieses genußfreudig
miterlebte. Eines Sommernachmittags gegen auf 5 Uhr
hob eine Abtheilung Schanzer die Bettung der Alarmkanone
Prokris auf Bastion Amalie, da begann plötzlich mörderisch
Geschrei, durchdringendes Hilfeflehen und barbarisches
Gelächter zu gleicher Zeit an der Courtinenmauer gegen
das Ravelin. Die Mauer hinab, von einem starken
Hollerbaum gehalten, straffte ein Seil, an dessen Ende noch
20 Schuh vom Boden, d. h. der Grabensohle, hing der
Schanzer Georg Maier, genannt der „schöne Schreiner“,
der einen höchst unsinnigen Fluchtversuch geplant, noch
hirnverrückter vorbereitet und auf's Ungenügendste ausgeführt
hatte; denn es gehörte verdichteter Blödsinn dazu, um
Verlesenszeit, wo alle dienstfreien Soldaten um die Festung
schwärmten, namentlich innerhalb der Grabensohle und des
Steinbruches, von einer der verkehrsreichen Brücke zu—
gewendeten Bastionsseite und mit einem zu kurz bemessenen
Seile am hellen Tage zur Zeit der Heuernte entweichen zu
wollen. So hätten Benvenuto Cellini, Trenk und Casanova
nicht gehandelt.