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im Anfang Sache bloß einzelner engerer Kreise gewesen, wurde jetzt
zur wichtigsten Angelegenheit des gemeinen Mannes, der Massen.
Es erschienen Flugschriften auf Flugschriften und Karrikaturen oft
derbster Art, gerichtet gegen Papst und Klerisei, und Wander—
prediger, manche von ergreifender Beredtsamkeit, trugen die neue
Lehre von Ort zu Ort. Zu diesen Wanderpredigern gehörte u. a.
auch der sogenannte Bauer von Wöhrd, ein Prädikant im Bauernkittel,
welcher vorgab, weder schreiben noch lesen zu können und in Schwaben
und Franken, besonders aber in Nürnberg und Umgegend großes
Aufsehen erregte. Die Zuhörer liefen ihm scharenweise zu, als er aber
manchmal auch die Obrigkeiten zum Gegenstand seiner Angriffe machte,
wies ihn der Rat aus Stadt und Gebiet. In Wirklichkeit war dieser so—
genannte Bauer von Wöhrd ein Pfarrer namens Diepold aus dem Ries.
Die Rücksicht auf die erregte Stimmung der verschiedenen Volks—
kreise und die Furcht vor einem Aufruhr wird, wie in anderen
Städten, so auch in Nürnberg Ursache gewesen sein, daß der Rat
mit der Bekannimachung der Achtserklärung gegen Luther und Ge—
nossen so lange zögerte, abgesehen davon, daß es jedenfalls dem Rat
selbst an innerem Antrieb dazu gemangelt haben wird. Erst am
7. Oktober wurde beschlossen, das kaiserliche Edikt anschlagen zu
lassen und zugleich vor Notar und Zeugen sich zu verwahren, daß
E. E. Rat damit den kaiserlichen Geboten volle Folge geleistet habe.
Auch wurde der Nachdruck Lutherscher Schriften aufs strengste
untersagt und den Predigern äußerste Zurückhaltung anempfohlen.
Im gauzen wurde durch diese Bekanntmachung des kaiserlichen Befehls
auch nicht eine Seele in Nürnberg irre oder abwendig gemacht.
Außerhalb des engeren Martinianischen Kreises im Augustinerkloster
und mit den Pröpsten von Skt. Sebald und Skt. Lorenz, Pesler
und Pömer, beide ehemalige Wittenberger Studenten, gehörten auch alle
die jüngeren Männer in Kirchen- und Schulstellen der Lutherschen
Richtung mit Leib und Seele an. Nur die Prioren und Prediger der
Klöfter der Dominikaner, der Barfüßer und Karmeliter, sowie die
Prediger der beiden Nonnenklöster machten eine Ausnahme. Daß die
Bürgerschatf fast ohne Ausnahme der neuen Lehre zugethan sei, war
überhaupt außer Zweifel.
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In dieser durchaus reformistisch gesinnten Stadt Nürnberg
installierten sich nun im Herbst 1521 gemäß den Wormser Beschlüssen
Reichskammergericht und Reichssregiment. So war Nürn—
berg während der Dauer dieser Einrichtung gleichsam die offizielle
holitische Hauptstadt Deutschlands. Als Statthalter und Vorsitzender