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nissen im Rathause ist eigentlich niemand für die Sache da, so
daß man auch niemanden für Verzögerungen so recht verant
wortlich machen kann.
Wir haben jetzt eine herrschende Referentenstimmung betreffs
der Straßenbahnfragen im Rathause, der man in Bezug auf die
Weiterentwicklung des hiesigen Straßenbahnnetzes seitens der Be—
bölkerung ein blindes Vertrauen schenken soll, die es als ihr
Recht beansprucht, ob sie ein Programm für das neue Netz auif—
stellen will oder nicht, und den Zeitpunkt hiezu vollständig in
ihrem Belieben behalten will. Zunächst beruft man sich auf die
mit der bestehenden Gesellschaft angeknüpften Kaufsverhand—
lungen, als ob diese das neue Netz präjudizieren könnten. Später
wird man sich hinter den Burgbergtunnel und die Straßen durch—
lässe unter dem Zentralbahnhof verstecken, und es wird der
Haͤuptsache nach immer beim Alten bleiben, d. h. die notwendigen
euen Linien werden der Bevölkerung nur in kleinen homöo—
pathischen Dosen dargereicht werden, sodaß eine richtige Ent—
wicklung des neuen Netzes und damit eine richtige Rentabilität
desselben überhaupt nicht zustande kommt, sondern künstlich auf⸗
gJehalten wird.
Den Wünschen des Publikums muß endlich in Bezug auf
neue Straßenbahnlinien ganz anders Rechnung getragen werden
als bisher. Diese straßenbahnlichen „Pourparlers“ in den öffent—
lichen Magistratssitzungen nützen dem Publikum gar nichts. Der⸗
artige juristische Intermezzi bilden höchstens einen unterhalten—
den Lesestoff, mehr aber nicht. Ebenso ist es mit den straßen—
hbahnlichen „Beschlüssen“ des Magistrats, wenn deren Ausführ⸗
ung auf die lange Bank geschoben wird. Was nützt dem Publi—
kum der allerschönste Beschluß, wenn er nicht innerhalb abseh—
bharer Zeit in die That umgesetzt wird? Mit Magistratsbeschlüssen
allein kann man nicht straßenbahnfahren. Jetzt droht die Stra—
henbahn-Gesellschaft sogar noch mit einem Prozeß! Der Aus—
Jang dieser Sache mag dem juristischen Herrn Magistratsreferen—
len sehr interessant sein, dem Publikum aber nicht, denn das
Publikaum will fahren können und scheert sich den Kuckuck um
diese Geschichten, von denen es bald zwischen Magistrat und Stra—
zenbahn heißen wird: „Was sich liebt, das neckt sich“ Wenn es
also dem Magistrat mit Schaffung eines neuen Straßenbahn—
netzes wirklich Ernst ist, dann muß er sich für die bevorstehende
Aufgabe ganz anders rüsten, als er es bisher gethan hat.
Es sind wahrhaft trostlose Aussichten, welche der hiesigen
Bevölkerung sich eröffnen, wenn man die mit Prozeß drohende
letzte Eingabe der Straßenbahndirektion ins Auge faßt. Man
sieht darqus, daß auf das Publikum einfach gar keine Rücksicht