Feuerbachs Wandelbarkeit.
auch jedes Satzglied eine unlautere Zurechtlegung oder kunstgerechte
Verdrehung der Wahrheit: Zeuge Weickmann bleibt ungenannt, und
Zeuge Beck wird verleugnet; nicht Weickmann wurde den Kaspar
gewahr, welcher dastand und einem Betrunkenen ähnlich
sich vorwärts zu bewegen mühte, ohne gehörig aufrecht stehen
und seine Füße regieren zu können, sondern — nun, wir wissen
aus beschworenen Zeugenaussagen, was in den exsten Stunden wirk—
lich vorgefallen ist. Auch nahte sich der erwähnte Bürger nicht
dem Fremdling, und hielt ihm nicht einen Brief sent—
gegen, sondern Kaspar schritt vom Bärleinhuterberg herab auf
zwei Bürger zu, fragte nach dem Weg und holte erst unterwegs
den Brief aus der Tasche. Dieser Lügensockel Feuerbachs trägt nun
aber überall die Kasparlegende, nur trug der gläubige Gestaltungstrieb
immerfort neue Verzierungen auf. Die Albersdorf (im 14. Kapitel)
begleitete ihren Kaspar persönlich durch Feuerbachs Hallerthörchen.
Bei Vehse) erregt Kaspar, durch „sein kindisch ungeschicktes
Bemühen, sich vorwärts zu bewegen, citrotzdem doch nie—
mand sich des Burschen erinnert hat!) allgemeines Aufsehen
und ungewöhnliche Theilnahme. In der Polizeiwachtstube
wim merte er, brachte nur kurze unverständliche Sätze hervor,
konnte aber in fast (72) leserlichen Zügen seinen Namen aufschreiben.“
) „Sonntag, den 24. April 1853. Nachmittags — kam Herr Dr. Vehse
und blieb zwei Stunden; er hatte viel zu fragen, u. a. über Kaspar Hauser;
dieser Kerl. und aller Wahn, der sich mit ihm verknüpft hat, ist mir zuwider wie
das Tischrücken, und wie bei diesem ist auch alles Reden umsonst. Der alte Feuer—
bach, der mit phantastischem Eifer in diese Geschichte sich ganz verbissen hatte, ist
ein Hauptverbreiter des Wahns; der alte Hitzig half ihm als gläubiger Schildknappe
in dieser Don-Quixoterei. Dr. Vehse wollte sich nicht ausreden lassen, was er sich
fest eingeprägt hat, daß jener betrügerische Landstreicher ein entführter badischer
Prinz sei! — Kritik, gefunde Kritik thut noth, die mit gehöriger Kenntniß aus—
gestattet ist.“ K. A. Varnhagen von Ense, Tagebücher, X. (Hamburg, —1868),.
S. 123. Im XIV. Bande (1870, S. 359) heißt es: „Donnerstag, den
26. August 1858. Prof. Daumer, früher in Nürnberg, jetzt in Frankfurt
am Main, ist in Mainz katholisch geworden. Er war schon einmal etwas gestört,
dann ein völliger Unchrist, ein schlechter Kopf immer. Zur Bestätigung und
zum Ueberfluß schreibt er auch wieder über Kaspar Hauser, über den er neue
Fratzen vorbringt.“