Zur Zeit des vorliegenden Photogramms war Stanhope
ein Einundfünfzigjähriger, für unsere Analyse sehen wir
uns genötigt, in erster Linie den drei Jahre später ab-
gefaßten Originalbrief zu Rate zu ziehen, weil die photo-
graphische Reproduktion von a) durch ungünstige äußere
Umstände zu unscharf ausgefallen ist.
Als mir diese Schrift erstmalig in einem Probeaus-
schnitt, der weder Namen noch Sachhinweise enthielt,
vorgelegt wurde, galten meine ersten Äußerungen der über-
raschenden Schriftlage. Ein beständiges Richtungs-
schwanken geht durch diese Worte, sie erscheinen wie
von unsichtbaren kleinen Strömungen hin und her ge-
schüttelt. Rasch schlägt jeder Richtungs- und Zielimpuls
in sein Gegenteil über und so kommt eine feinschlägige,
rhythmische Strömung zustande, Abbild eines inneren
fundamentalen Selbstwiderspruchs,
Die charakterologisch typische Steillage ließ mich bald
einmal einen Briten vermuten; aber mit welcher Flüssig-
keit handhabt dieser Ausländer die gotischen Lettern!
Später belehrte mich Bartnings Broschüre, daß Stanhope
als junger Mensch in Göttingen studiert habe. Seine
Schulvorlage weist grundlegende Merkmale späterer deut-
scher Rokokoschriften auf. Um diese zu bestimmen, zog
ich eine Reihe handschriftlicher Aufzeichnungen aus der
Zeit um 1800 heran, unter anderem Texte von Jean Paul
und Tagebücher meiner Vorfahren,
Unendlich viel mehr als der historisch unorientierte
Analytiker vielleicht vermuten würde, ist hierbei Zeitstil:
Das Eingerollte, voluten- und muschelförmig Geschwun-
gene in den Anfangszügen der Großbuchstaben I, M, R,
U, W, die verkropften Formen in H, K, B, die Muschel-
form in D, das überschwänglich geschweifte in t, st.
Gerade dieses seltene st findet sich auch in den Schrift-
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