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Verscheiden die beiden Prinzen in den Garten hinuntergeschickt.
Dort wand Prinz Wilhelm einen Kranz aus Eichenlaub und Rosen
und legte ihn dann in stiller Trauer auf dem Sterbebett der ge⸗
liebten Mutter nieder. In der folgenden Nacht konnte er lange
den Schlaf nicht finden. Als er endlich einschlummerte, sah er im
Traum das verklärte Bild der Mutter, wie sie, von ihren ver—
storbenen Kindern und von Engeln umgeben, segnend die Hände
über ihn breitete. Wie damals im Traume, so stand sein ganzes
Leben hindurch das Bild der Mutter vor seiner Seele. In
allen großen Augenblicken seines langen, reichbewegten Lebens
fand er an ihrem Sarge in der stillen Gruft zu Charlottenburg
Kraft, Trost und Erhebung.
Die Trauer um die vielgeliebte und vielbeweinte Landes—
mutter gab dem Streben des preußischen Volkes, die Schmach
der Knechtschaft abzuschütteln, neue Kraft. Von dem tiefen
Falle erhob sich das Volk zunächst innerlich. Ein ernster Sinn
durchdrang alle Schichten und Stände des Volkes, und es erwachte
der feste Wille, für die Befreiung des Vaterlandes jedes Opfer
zu bringen. Der König berief zu seinen Ratgebern Männer,
wie den Freiherrn v. Stein, Scharnhorst und andere, die das
ganze Staatswesen auf neuen Grundlagen aufbauten. Alte Miß—
bräuche wurden abgeschafft und neue Einrichtungen geschaffen,
darauf berechnet, alle Unterthanen des Königs zur Teilnahme
an den gemeinsamen Angelegenheiten des Vaterlandes heran—
zuziehen. Im Heerwesen machte Scharnhorsts Gedanke von der
allgemeinen Wehrpflicht alle Söhne des Landes zu dessen Ver—
teidigern. Dichter und Denker begeisterten in Wort und Schrift
die Jugend für die Pflichten gegen das Vaterland und ent—
fachten in aller Herzen glühende Begeisterung für die Freiheit.
So harrte das ganze Volk dem Augenblicke entgegen, der
die dersehnte Befreiung von der Knechtschaft bringen sollte.
Und dieser Augenblick kam. In den Tiroler Bergen und auf
den Hochebenen Spaniens fochten die Heere Napoleons unglücklich.
Und als nun gar die große, schöne Armee, die er 1812 nach
Rußland geführt hatte, auf den winterlichen Schneefeldern durch
Hunger und Kälte zu Grunde ging, da regte sich allenthalben
in deutschen Landen der heiße Wunsch, sich von dem Manne. den