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Das waren Worte einer königlichen Mutter und zugleich
prophetische Worte, denen durch „ihren Wilhelm“ später eine
glänzende Erfüllung beschieden war. Damals freilich mußte die
preußische Königsfamilie den Kelch der Leiden bis auf die Neige
leeren. Im alten Markgrafenschlosse zu Schwedt war ihres
Bleibens nicht, denn die Franzosen breiteten sich immer weiter
im Lande aus. So mußte sie in der rauhen Jahreszeit bis
nach Königsberg flüchten, wo sie bis zu den Weihnachtstagen
blieb. Aber welch' ein Weihnachten! Eine gefährliche Krankheit
hatte die edle Königin auf das Krankenlager geworfen, und am
22. Dezember war sie dem Tode nahe. Und dazu die immer
näher heranrückenden Scharen der Franzosen! Unter diesen
Umständen wollte der tiefgebeugte König von einer Weihnachts—
bescherung nichts wissen. Dagegen brachte dem Prinzen Wilhelm
das neue Jahr eine Überraschung. Am 1. Januar 1807 über—
reichte ihm sein Vater die Interimsuniform des ersten Garde—
Bataillons mit den Worten: „Da an Deinem Geburtstage viel—
leicht keine Gelegenheit sein wird, Dich einzukleiden, weil Ihr
nach Memel müßt, so ernenne ich Dich schon heute zum Offizier.“
So trat also Prinz Wilhelm in das preußische Heer ein zu einer
Zeit, wo das ganze Königreich von dem Landesfeinde über—
schwemmt war, so daß die königliche Familie nicht einmal in
Königsberg bleiben konnte und sich bis in den äußersten Winkel
des Landes zurückziehen mußte. Bei heftigem Sturm und Schnee—
gestöber mußte die schwerkranke Königin in einem elenden Wagen
und auf schlecht gebahnten Wegen die Fahrt nach Memel
zurücklegen. Während sie sich dort allmählich erholte und auch
Prinz Wilhelm einen Fieberanfall glücklich überstand, vollendete
sich die Demütigung und das Unglück Preußens. Nach zwei
blutigen Schlachten rückten die Franzosen in Königsberg ein, und
in Tilsit mußte Friedrich Wilhelm III. den Frieden unterzeichnen,
den schlimmsten, den jemals ein preußischer Fürst unterzeichnet
hatte, einen Frieden, in welchem der König die Hälfte seiner
Länder und seiner Unterthanen verlor. Vergebens hatte sich die
Königin zu dem schweren und demütigenden Schritte herbei—
gelassen, in Tilsit Napoleon persönlich um günstigere Friedens—
bedingungen zu bitten. Der übermütige Eroberer hatte nur eitle