30 Ins Graubündner Land.
prächtigen Blick über Chur. Ein herrlich Alpen-
bild! Goldiger Sonnenschein ist über die Land-
schaft ausgegossen. Hier das grüne Thal des
Rheins, dort die mächtigen Berge und in ihrem
Schosse wie ein köstlicher Edelstein die alte
Stadt, durchrauscht von dem wilden Bergstrome,
der Plessur, einem Aroser Kinde, die sich weiter
unten, vor der Stadt mit dem jungen Rheine
verschwistert. Drüben liegt die Kalanda, ein
mächtiger Dolomitkegel, von Chur noch 2200 Meter
aufsteigend, mit schroffen Abstürzen, deren
dunkelgraue Wände im ernsten Grün ‘der spär-
lichen Tannen noch düsterer erscheinen; von
oben aber grüsst das freudige Grün der Alp-
weiden wie ein lustiger Jäger mit seinem Hütlein.
Über mir steigt der Mittenberg auf, im Süden
ist der Pizokel. Die ersten, durch ihre Farben-
pracht mich erfreuenden Blumen sandte ich als
ersten Alpengruss in die Heimat. Das Diner
hatte schon begonnen, als ich im „Stern“ eintraf.
Die Tischgesellschaft schien samt und sonders
stumm zu sein, und ich wagte es nicht, das
Schweigen zu unterbrechen, Dem Hause zur
Empfehlung sei’s gesagt, dass mir seine schlichte,
freundliche Aufnahme herzlich wohlgethan und
dass ich einen vortrefflichen Mittagstisch bekam.
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