der Formengebung und in der Gesamtkomposition. Die Steinreliefs
sind oft Gemälde; der Bildhauer giebt uns in Holz oder Stein das,
was der Maler mit seinen Farben geben kann: landschaftliche Hinter—
gründe. Der Malerei dienen sie als Stimmungsmittel, dem plastischen
Bilde geben sie etwas Überladenes und Verwirrendes.
Ihre Stoffe nimmt die damals fast ausschließlich religiöse Kunst
aus dem Leben Mariä und Christi. Aus diesem wählt sie mit Vor—
liebe die Passionsscenen, die sie in dramatischer Schilderung durch derbe
Charakterfiguren mit rückhaltslosen Gebärden wiedergiebt. Oft mißlingt
eine reichere Charakteristik, und die Figuren erscheinen karikiert. Wie
in den geistlichen Spielen treten widerwärtige fratzenhafte Gestalten auf,
die aber in ihrer Derbheit keinen Anstoß erregen, sondern von der
leidenden Christusfigur grell abstechend, dieser um so mehr den Schein
der Reinheit und Göttlichkeit geben. Bei den Beschauern trugen sie
sogar zu einer gewissen behaglichen Erbauung bei, und im Vergleich
zu jenen Mysterien, die so recht zeigen, welche burschikosen, oft die
Sittlichkeit verletzenden Späße man damals einem deutschen Gemüte
bieten durfte, wird man die rohen Veiniger im Bilde immer noch
maßvoll finden.
Ein anderer beliebter Gegenstand ist die Darstellung der Mutter
Maria mit dem Christuskinde, in naivster Weise zum Herzen sprechend,
oder die Klage der Mutter um den Leichnam ihres Sohnes. Solche
gemütvollen Züge gelingen am besten; und oft setzt uns die feine Be—
obachtung des Seelenschmerzes auf den verschiedensten Stufen und die
wahre Tiefe der herzlichen Auffassung in Erstaunen. In den größten
deutschen Kunstschöpfungen offenbart sich zugleich ein hohes künstlerisches
Können und ein feines Gefühl für wahre Schönheit. Manch unbe—
kannter Meister schuf Werke der feinsten Durchbildung, der edelsten
Formensprache. Es sei hier nur an die „Nürnberger Madonna“ im
Germanischen Museum (Tafel X, 4 u. 5), die in Gnadenberg in der
Pfalz) gefunden worden sein soll, erinnert.“)
2.
i) Der Kampf, den Nürnberg zu Anfang des XVI. Jahrhunderts für Albrecht
von Bayern führte, brachte den Besitz von 11 Orten, sowie das Vogteirecht über
Klöster, darunter Gnadenberg, ein. Dadurch ließe sich erklären, daß die Madonna,
die ganz und gar den Nürnberger Charakter in sich träat, von einem Nürnberger
Künstler verfertigt wurde.
) Bode sieht in dieser vielfach für ein Stoßsches Werk gehaltenen Madonna,
deren hohe Formenschönheit geradezu dem Kunstcharakter des Veit Stoß wider—