Dritter Teil.
Idam Krafft im Jerhältnis zu seinen Zeitgenossen.
Dreizehntes Rapitel.
1.
In den folgenden Kapiteln soll gezeigt werden, wie Krafft sich
zu seinen Zeitgenossen, zu Dürer, Michel Wolgemut, Veit Stoß, Peter
Vischer, Tilmann Riemenschneider verhält, wie weit er auf sie von
Einfluß war, wie weit er von ihnen Einflüsse empfing. Die ersten
Betrachtungen sollen an seinen größten Zeitgenossen, an Albrecht
Dürer, geknüpft werden.
Dürer wurde am 21. Mai 1471 zu Nürnberg als Sohn eines Gold—
schmieds geboren. Die ersten Lehren empfing er bei seinem Vater in
der Goldschmiedekunst, im November 1486 kam er in die Lehre Michel
Wolgemuts. Ostern 1490 ging er auf die Wanderschaft und kehrte
im Mai 1494 in seine Vaterstadt zurück, wo er heiratete und
sich eine eigene Werkstatt gründete. Gerade damals, da Adam Krafft
an seinem Sakramentshäuschen für St. Lorenz arbeitete, entwickelte
ich Dürers Genie mächtig.
Die Leiden Christi, die auf die Künstler der Zeit so bestimmend
zewirkt hatten, zogen auch Dürers Phantasie wunderbar an. Sein
ganzes Leben war er dauernd mit Christi Gestalt beschäftigt, und schei—
gen zeitweilig andre Gedanken Herrschaft über ihn gewonnen zu ha—
ben, immer wieder kehrte er zur Passion zurück und schuf mit ganzer
Liebe neue Kompositionen. Diese Passionsbilder aber erinnern man—
nigfach an die gemütvollen Stationen Kraffts und an die von ihm
viederholt dargestellte Klage um den toten Christus. Freilich darf
man nicht völlig gleiche Elemente in den Werken Kraffts und Dürers
erblicken wollen, denn jeder große Kuͤnstler bildet das in sich Aufge—
nommene nach seiner eigenen Weise in seinem Geiste um.