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Die weiteren Verhandlungen auf dem Reichstag, die Versuche
von kaiserlicher und katholischer Seite, den schon an und für sich vor—
handenen Zwiespalt unter den Neugläubigen auch in die Reihen der Luthe—
raner zu tragen, die Konzessionen z. B. bezüglich der bischöflichen Juris—
diktion, die Melanchthon und die theologischen Berater des Markgrafen
Georg zuzugeben geneigt waren, übergehen wir hier. Nürnberg, das
man anfangs ganz unbegründeter Weise im Verdacht gehabt hatte, als
wolle es zum Gehorsam gegen den Kaiser zurückkehren, verharrte fest
bei dem einmal angenommenen Bekenntnis und wollte sich von den
Errungenschaften der Kirchenerneuerung nichts nehmen lassen. Der
Rat, der mit seinen Abgesandten einen äußerst regen Briefwechsel unter—
hielt, wurde ganz zornig auf den kompromißeifrigen, nachgiebigen
Melanchthon, von dem einer seiner größten Verehrer, Hieronymus
Paumgärtner, schrieb, Magister Philipp sei kindischer als ein Kind
geworden. Trotz dieses standhaften Festhaltens beim Evangelium wollte
Nürnberg von einem Bündnis gegen den Kaiser, über das man auch
in Augsburg in Unterhandlungen trat, nach wie vor nichts wissen,
während es sich unausgesetzt darum bemühte, einen Religionsfrieden
oder wenigstens eine mündliche Zusicherung des Kaisers zu erlangen,
daß er — zunächst bis zu einem allgemeinen Konzil — nichts gegen
die Evangelischen unternehmen wolle. Indessen der Reichstagsabschied,
der am 19. November vom Kaiser und der katholischen Mehrheit be—
schlossen wurde, fiel schroffer aus, als man erwartet hatte. Unter
anderem wurde darin verlangt, daß die geistliche Jurisdiktion vollkom—
men wiederhergestellt und die Kirchengüter restituiert werden sollten,
ein Beschluß, auf Grund dessen das Reichskammergericht sofort mit
der Einleitung von Prozessen gegen die Evangelischen begann, die
diesen viel Arger und Unannehmlichkeiten bereiten sollten.
Den Nürnbergischen Abgesandten wird nachgerühmt, daß sie bei
aller Festigkeit und Beharrlichkeit sich diplomatisch höchst fein und
gewandt benommen hätten. Christoph Kreß erlangte am 25. Juli 1530
vom Kaiser einen Adelsbrief, worin er für sich und seine Familie zu
seinem Wappen einen offenen Helm und eine Reihe anderer Rechte,
wie die Vergünstigung, sich Kreß von Kressenstein zu nennen, mit
rotem Wachs zu siegeln, an Turnieren, und (geistlichen) Stiftsstellen
Teil zu haben u. s. w. erhielt. Man staunt über diese und ähnliche Vor—
kommnisse, aus denen jedenfalls hervorgeht, daß man schon damals, wie
auch späterhin, selbst auf streng katholischer Seite keineswegs daran dachte,
die Ketzer als außerhalb des bürgerlichen Rechtes stehend zu betrachten.
In den letzten Tagen des Dezembers 1530 und zu Anfang 1581
wurde von der Mehrzahl der evangelischen Stände der berühmte
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