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findet auch heute noch — selbst bei schwereren Erkrankungen —
Verpflegung im Hause der Dienstherrschaft, ohne daß ein Lohn⸗
abzug stattfindet; nach manchen Rechten, z. B. dem preußischen
Landrechte, beruht die Gewährung der Krankenpflege unter Fort—
dauer des Lohnes auf einer rechtlichen Verpflichtung gegenüber
den Dienstboten, so ferne sich der Dienstbote die Krankheit im
Dienste zugezogen hat. Es entsteht daher die Frage, wie es in
diesem Falle mit der Auszahlung des reichsgesetzlichen Kranken—
geldes gehalten werden soll. 8 137 des Reichsgesetzes vom
5. Mai 1886 über die land- und forstwirtschaftliche Unfall- und
Krankenversicherung sieht für diesen Fall eine entsprechende Kürzung
der Krankenversicherungsbeiträge unter Wegfall des Krankengeldes
vor, allein in der Praxis erscheinen diese komplizierten Vorschriften
vielfach nur schwer durchführbar und dürfte die allerdings nicht
strenggesetzliche Auszahlung des Krankengeldes an die Dienst—
herrschaft als Äquivalent für die Verpflegung und Lohnfortzahlung
nicht weiter zu beanstanden sein. Ohne diese Konzession erscheint
überhaupt eine weitere Verbreitung der reichsgesetzlichen Kranken—
versicherung in unseren bayerischen Landgemeinden ausgeschlossen.
Im Großen und Ganzen liegt die Krankenpflege auf
dem Lande — und damit natürlich auch die der Dienstboten
und Taglöhner — noch sehr im Argen; welch erhebliche Nachteile
dies insbesondere auch bei der Behandlung von Unfällen im Ge—
folge hat, wird an entsprechender Stelle noch berührt werden.
Die auf dem Lande üblichen „Krankenstuben“ verdienen meistens,
soweit meine fränkischen Erfahrungen reichen, diesen Namen nicht;
wer einmal in einem Gemeindehause einer ärmeren mittelfränkischen
Gemeinde gewesen ist und die Bewohner und die Einrichtungen
gesehen hat, wird zugeben, daß das kein passender Aufenthalt für
einen gesunden, geschweige denn für einen kranken Menschen ist;
dort wird der Gesunde krank, aber nicht der Kranke gesund. Aber
auch wo es in Bezug auf Reinlichkeit und Bewohnerschaft besser
bestellt ist, fehlt es an der nötigen Pflege und Bedienung, deren
selbst bei leichteren Erkrankungen der Patient bedarf, und es könnte
in dieser Hinsicht nur besser werden, wenn die Absichten des
bekannten Pfarrers Faulhaber in Schwäbisch-Hall, des Vor—
standes der dortigen Diakonissenanstalt, sich in weiterem Umfange
realisieren ließen, nämlich die Gemeindediakonie auch auf dem