Metadaten: Verwaltungsbericht der Stadt Nürnberg für das Jahr 1897 (1897 (1899))

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Sechster Abschnitt. 
Begrübniswesen. 
J. Teichenschau. Westattungsfristen. 
Die gesetzliche Grundlage für das Beerdigungswesen bilden die oberpolizeilichen Vor— 
schriften über Zeit, Ort und Art der Beerdigung vom 29. Julj 1872 sowie die oberpolizeilichen 
Vorschriften über die Leichenschau und die Zeit der Beerdigung vom 20. November 1885. 
Hienach ist jede menschliche Leiche vor der Beerdigung der Leichenschau zu unterstellen. 
Zu diesem Zwecke ist die Stadt Nürnberg in 11 Leichenschaudistrikte eingeteilt und für jeden 
dieser Distrikte ein amtlich verpflichteter Leichenschaner und ein Stellvertreter aufgestellt. 
Jeder Todesfall ist demzufolge (unabhängig von der Verpflichtung zur Anzeige beim Standes— 
amt) alsbald, oder wenn der Tod zur Nachtzeit und nicht gewaltsam erfolgte, spätestens am 
folgenden Morgen dem Leichenschauer anzuzeigen. Zu dieser Anzeige ist das Familienhaupt 
verpflichtet oder bei Verhinderung desselben derjenige, in dessen Wohnung oder Behausung der 
Sterbfall erfolgt ist. Die erste Leichenschau ist thunlichst bald nach erfolgtem Tode, wenn 
möglich innerhalb 24 Stunden, jedenfalls aber vor Verbringung der Leiche in das Leichenhaus 
zu bethätigen. Die zweite Leichenschau erfolgt in den Leichenhäusern von den hiezu berufenen 
Leichenhausärzten. 
Bis zur Ankunft des Leichenschauers ist die Leiche iu unveränderter Lage, mit unver— 
yülltem Gesicht und frei von beengenden Kleidern zu belassen. Den von dem Leichenschauer 
zur Wiederbelebung eines mutmaßlich Scheintoten allenfalls getroffenen Anordnungen ist 
oünktlich Folge zu leisten. 
Hat der Leichenschauer über den eingetretenen Tod volle Gewißheit gewonnen, so ist 
durch denselben der Leichenschauschein auszustellen. Sind Anhaltspunkte für die Annahme 
eines nicht natürlichen Todes vorhanden, so hat der Leichenschauer davon unverzüglich Anzeige und 
Befundbericht an die Ortspolizeibehörde zu erstatten, von welcher sofort weitere Einleitung 
getroffen wird. 
Zweck der Leichenschan ist, die Verheimlichung von gewaltsamen oder durch strafbare 
Vernachlässigung oder falsche ärztliche Behandlung herbeigeführten Todesfällen zu verhindern, 
zu Ermittlung ansteckender Krankheiten sowie zur Herstellung genauer Sterbelisten mitzuwirken 
und die Beerdigung Scheintoter zu verhüten. Zu diesem Behufe ist jede Leiche genau zu 
untersuchen und bei der ersten Leichenschau sowohl an der Vorder- als an der Rückseite des 
Körpers zu besichtigen. In erster Linie hat sich der Leichenschauer mit der Feststellung der 
den Tod begleitenden Hauptmerkmale zu befassen, die im Einzelnen auf Seite 344 des Ver— 
waltungsberichtes für 1897 aufgeführt sind. 
Zur Feststellung des Todes in zweifelhaften Fällen wird den ärztlichen Leichenbeschauern 
die Prüfung der elektrischen Erregbarkeit der Muskeln und Nerven empfohlen. 
Bei dem Verdacht des Scheintotes sind, bis ärztliche Hilfe eintrifft, entsprechende 
Belebungsversuche in Anwendung zu bringen. 
In der Regel dürfen Leichen nicht früher als 48 und nicht später als 72 Stunden nach 
Eintritt des Todes beerdigt werden. 
Die Ortspolizeibehörden sind ermächtigt, die Beerdigung vor Ablauf von 48 Stunden 
und nach Ablauf von 72 Stunden, jedoch nicht früher als 36 und nicht später als 834 Stunden
	        
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