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Der betreffende Merker hatte während des Freisingens stets die
Bibel vor sich liegen, um zu prüfen, ob das Tied mit ihr in
Einklang sei. Uebrigens war das Festhalten an Luther’s Schrift
auch von sprachlicher Bedeutung; hiess es doch in der Nürn-
berger Tabulatur ausdrücklich: „Ein Fehler ist, wenn etwas nicht
nach der hohen teutschen Sprach gedichtet und gesungen wird,
wie solche in D. Martin Luther’s teutscher Uebersetzung der
Bibel befindlich und in der Fürsten und Herren Canzleien üblich
und gebräuchlich ist.“
Hans Sachs.
Die andern Merker hatten die blinden Meinungen,
d. h. die undeutlichen Ausdrücke, die Milben, d.h. die unrich-
tigen Abkürzungen, die Klebsilben, d.h. die falschen Zu-
sammenziehungen, die Differenz, d. h. die willkürliche Um-
stellung von Vokalen, die Laster, d. h, die willkürliche Ver-
tauschung von Vokalen, ferner die Art und den Wechsel der
Reime — eine reimlose Zeile hiess Waise — den Vortrag der
Lieder, der, im Gegensatz zu dem Minnegesang ohne Instru-
mentalbegleitung blieb, zu prüfen. Es kam also bei diesen Lei-
stungen nicht auf Neuheit oder poetische Fassung des Inhalte,
sondern nur auf die Vermeidung der 33 Fehler an.
Wer am glattesten gesungen hatte, d. h. wessen
Lied von dem Gemerk für das fehlerfreiste erkannt wurde, der
bekam den König-Davids-Gewinner, eine silberne Kette
mit einem Medaillon, das König David, den Psalmisten, vor-
stellte, als Zier für die Dauer der Festschule umgehängt. Der
zweite . Preis, bestand in einem Kranz aus seidenen Blumen.
Diese 'Kleinode der Gesellschaft hatte der Kronmeister
in Verwahr.
Die andern Mitglieder des Vorstands waren der Büchsen-
meister, der die Kasse führte, und der Schlüsselmeister,
d. i. Verwalter.
Die jedesmaligen Preisträger mussten die Genossenschaft
auf der Zeche traktiren, und hier sind ohne Zweifel auch natur-
wüchsigere, freiere Lieder angestimmt worden.
In Nürnberg, das um die Mitte des sechzehnten Jahrhun-
derts unter der Einwirkung Hans Sachsens, dessen Dichten um