Volltext: Albrecht Dürer

Aus Nacht zum CLicht. 
78 
zu Zeit einen Blick und versank dann in tiefes Grübeln. Das 
Büchlein trug den Titel: „Das heilige Vaterunser, ausgelegt 
pon D. Martin Luther.*) Es war ihm zugegangen durch Herrn 
Christoph Scheurl, jenen Mann, der ihn einst in Bologna be— 
grüßt, dann als Professor der Rechte nach Wittenberg gekommen 
war und gegenwärtig als Rechtskonsulent in Nürnberg eine be— 
deutsame Stellung einnahm. Durch ihn hatte er auch manches 
über den merkwürdigen Mann erfahren, der in Sachsen und 
auch weiterhin im Reich von sich reden machte, den Augustiner— 
mönch und Professor der Theologie an der vom Kurfürst Friedrich 
dem Weisen in Wittenberg gegründeten Hochschule, und Dürer 
hatte von vorn herein ein lebhaftes Interesse für den außer— 
ordentlichen Gelehrten in sich gespürt, war auch fleißig in die 
Predigten des Paters Wenzel Link gegangen, welcher, mit Luther 
vom Erfurter Kloster her eng befreundet, seit einiger Zeit als 
Ordensbruder im Augustinerkloster zu Nürnberg saß. Diese Pre— 
digten hatten ihn aufs Herz getroffen und einen heftigen Sturm 
in ihm erweckt. Ein treuer Sohn seiner Kirche und von Herzen 
fromm hatte er bisher nach den Geboten des päpstlichen Stuh⸗ 
les seinen Wandel geführt und vor Menschen untadelig gelebt, 
ja von allen Seiten sich die größte Hochachtung erworben, denn 
man ehrte in ihm nicht allein den Künstler, sondern auch den 
Menschen; — jetzt ward er an sich selber irre, als könne der 
Weg, den die Kirche zeige, nicht der rechte sein. Und diese 
Unsicherheit mehrte sich noch, wenn er des Greuels der Ver⸗ 
wüstung an heiliger Stätte gedachte, wenn er das tiefgehende 
Verderben der Kirche ansah, welches ihm ja schon vor Jahren 
5) In der Fastenzeit des Jahres 1517 hatte Luther das Vaterunser 
in Predigten ausgelegt, und einer seiner Zuhörer hatte das Nachgeschrie— 
bene alsbald gedruckt ausgehen lassen.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.