Allgemeine wirtschaftliche und soziale Fürsorge.
8. Soziale Versicherung.
Allgemeines. Die Reichsversicherungsordnung vom 19. Juli 1911 hatte
in der Kriegs- und Nachkriegszeit durch mehrere hundert Gesetze und Verordnungen eine
derartige Abänderung erfahren, daß es allmählich immer schwieriger wurde, das noch geltende
Recht festzustellen. Durch Bekanntmachung des Reichsarbeitsministers vom 15. Dezember 1924
RGBl. 1924, Teil J, Seite 779/961) erfolgte endlich eine neue Fassung, durch welche
die veralteten Bestimmungen beseitigt wurden und ein mit den vielfachen in der Zwischenzeit
ergangenen Abänderungen in Einklang stehender neuer Gesetzestert geschaffen wurde. Daneben
»lieben allerdings noch eine Reihe von ergänzenden Gesetzen und Verordnungen nach wie
vor in Kraft und neue ergänzende Vorschriften sind bereits wieder in Vorbereitung, so daß
die vorerwähnte amtliche Neufassung nur einen vorläufigen Abschluß darstellt.
Mit Wirkung ab 2. März 1925 wurde der Wert der Sachbezüge vom Ver—
sicherungsamte für männliche Versicherte auf 1.30 RMuund für weibliche Versicherte auf
1.15 RM festgesetzt. Als ortsüblicher Tagelohn wurde mit Wirkung ab 1. Juli 1924 der
Betrag von 3. — RMeufür Männer über 21 Jahre, 2.40 RMufür Männer zwischen 16 bis
21 Jahren, 1.40 RMefür Männer unter 16 Jahren, 1.80 RMefür Frauen über 21 Jahre,
1.50 RMefür Frauen zwischen 16 bis 21 Jahren, 1.— RMefür Frauen unter 16 Jahren vom
Oberversicherungsamte Nürnberg festgesetzt.
Krankenversicherung. Die Festigung der Währung dämmte die Flut der Satzungs- und
Dienstordnungsänderungen des Jahres 1923 ab. Dafür wurde im Jahre 1924 das Ver—
icherungsamt wieder bedeutend häufiger in Beschwerdeangelegenheiten angegangen.
Die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kassen, die im Jahre 1923 wenigstens in Bezug
auf die Gewährung des Krankengeldes und der übrigen Barleistungen nahezu verlorengegangen
war, wurde im Jahre 1924 wieder hergestellt. Die Krankenkassen würden sich wahrscheinlich
finanziell noch besser erholt haben, wenn nicht die wenigstens anfangs sehr geringe Höhe
der Erwerbslosenunterstützung zahlreiche Erwerbslose veranlaßt hätte, möglichst lange Kranken—
unterstützung, insbesondere das damals erheblich höhere Krankengeld zu beanspruchen.
Allgemein machte sich bei den Krankenkassen das Streben nach Herabsetzung der Bei—
träge bemerkbar.
Ein Beweis für die schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse ist die Tatsache, daß im
bergangenen Jahre vielfach die Arbeitgeber ihre Krankenversicherungsbeiträge nicht zahlen
konnten und daß deshalb mehrfach Anordnungen nach 8 398 RVO. getroffen werden mußten,
wonach Arbeitgeber, die mit der Abführung der Beiträge rückständig sind und sich in einem
Zwangsbeitreibungsverfahren als zahlungsunfähig erwiesen haben, nur ihren Beitragsteil
einzuzahlen haben, während der Beitragsteil der Versicherungspflichtigen an den Zahltagen
von diesen selbst bei der Kasse einzuzahlen ist.
Nennenswert erscheint auch, daß die Allgemeine Ortskrankenkasse Nürnberg im Laufe
des Jahres ein neues Verwaltungsgebäude an der Waizenstraße im Rohbau fertiggestellt hat
Nach dessen Bezug sind die unleidlichen, beengten Verhältnisse, welche in dem bisherigen Ver—
waltungsgebäude in der Tetzelgasse herrschten, beseitigt.
Durch Beschluß des Oberversicherungsamtes Nürnberg vom 7. März 1924 wurde die
Allgemeine Ortskrankenkasse für den Distrikt Nürnberg mit der Allgemeinen Ortskrankenkasse
Nürnberg⸗Gtadt vereinigt und dadurch der Bezirk der Allgemeinen Ortskrankenkasse Nürnberg—
Stadt über den Stadtbezirk Nürnberg hinaus auch auf den Bezirk des Distrikts Nürnberg
erstreckt.