fullscreen: Das Hans Sachsfest in Nürnberg am 4. und 5. November 1894

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II. Die Festtage 6— 
„die Maienwonne der Wiesen; er weiß, was schon Grimmels— 
hausen*) ihm nachrühmte, die stumme Natur zu beleben und 
selbst reden zu lassen. Gleich der Luthers klingt die Sprache 
des Hans Sachs wie eine Weissagung auf ein goldenes Zeit— 
alter der Literatur. Vor ihm gab es in Deutschland eine 
fremde Sprache und eine derbe Volkssprache, die den Gelehrten 
zu ungelenk erschien, als daß sie ihre Gedanken darin hätten 
aussprechen können. Diese Scheidung hörte auf; denn jetzt 
drang die Sprache zu den Herzen der Geringen wie der 
Großen. 
Am selbständigsten jedoch führt Hans Sachs den Kampf 
gegen den Aberglauben, gegen das hochfahrende Wesen, gegen die 
plumpe Habsucht und gegen die rohe Unwissenheit im Drama. 
So meinte er noch eindringlicher wirken zu können. Wir 
wollen dies Gebiet losgelöst von seiner anderen Thätigkeit 
betrachten; denn in ihm war er ein wirklicher Reformator. 
Was gab es denn vor Hans Sachs in allen damaligen 
Kulturländern für Dramen, da das Drama der Alten noch 
nicht wieder entdeckt war? So müssen wir fragen; denn ihn 
an Späteren zu messen, ist unbillig. 
Der eine Teil beschränkte sich auf das Kirchliche, von 
dem die dramatische wie alle Kunst überhaupt ausgegangen 
war: kirchliche Spiele, Mysterien, meist in lateinischer Sprache, 
oder höchstens Deutsch mit Lateinisch gemischt. Bei wenigen 
Tastversuchen über die ursprüngliche Schranke hinaus hatte es 
sein Bewenden gehabt. Der andere Teil knüpfte an die heid— 
nische Mummerei, das fasnacht-scheinpart-vermummen, an, wie 
Hans Sachs sagt. Das waren die Fastnachtspiele. Die aus 
dem 15. Jahrhunderte erhaltenen sind im Grunde genommen 
nur Reden mit gelegentlichen Zwischenbemerkungen von zufällig 
anwesenden Personen, und sie stoßen uns sehr oft durch ihre 
Ungebärdigkeit und Unflätigkeit ab. Bei Hans Sachs dagegen,“ 
») Grimmelshausen, Simplicissimus Buch 6, Kapitel 9, Seite 508, 
Braunes Neudrucke.
	        
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