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Da brachte eines Morgens ein Stafettenreiter
einen Brief des Gatten.
Rottmann war auf der Heimreise, war bereits
in Hamburg. In wenigen Tagen konnte er bei
Weib und Kindern sein. Er fürchtete, die Mutter
nicht mehr am Leben zu finden.
Frau Josephine begann bitterlich über des
Gatten Brief zu weinen; sie fühlte jetzt erst so recht,
wie die langen Krankheitswochen an ihrer Kraft
gezehrt hatten. Aber sie raffte sich auf. Jetzt, in
der sicheren Hoffnung, den treuen Gatten bald an
ihrer Seite zu haben, wollte sie nicht verzagen. Sie
betrat der Schwiegermutter Zimmer mit strahlenden
Augen und bereitete sie vorsichtig auf Sebastians
Rückkehr vor.
Und wunderbar, unter ihren Worten wich diese
sehnsüchtig bange Frage aus den Augen der alten
Frau, sie schloß die schweren Augenlider und ein
ruhiger, feierlicher Ausdruck breitete sich über das
eingefallene graue Gesicht der Gelähmten.
Frau Josephine beugte sich erschreckt über die
Mutter und lauschte, aber der Atem ging wie all
die Wochen und das Herz schlug noch in harten,
ungleichen Schlägen.
Von allen Kirchen läuteten die Glocken, Jubel
und Freude herrschte allüberall. Böllerschüsse zitterten
durch die Luft.
Hochbeladen, geschmückt mit Erntekränzen zog
der erste Erntewagen aus Sankt Johannis in die
Stadt. Eine Menge festlich geputzter Menschen um—
ringten, umtanzten den Wagen, vor ihm her zogen