Volltext: Mein Kriegs-Tagebuch vom 29. Juli bis 1. September 1870

5 
Nirgends ein Brief mit »ton amie« unterzeichnet, alfo weiter damit. Ein 
anderes Bild: 
Vie militaire en paix par Hackländer. BPoß Taufeud, darnach Hat der 
vielleicht die deutfche Heeresorganifation ftudirt, oder {tudiren mollen. 
Während ih die Sachen durdhftöberte, bemerkte ich lebhafte Bewegung in 
der Nähe unferes Plabes. Hopp, Hopp — hörte id [Hallen —, da mußte 
was 108 fein, denn umfonft [Hreit man nicht „Hopp“. IM Hatte richtig ge: 
ahnt; die Sache war von Belang, — ein neues Häßhen Wein war ver 
Extrapoft angekommen und mahrlich Feiner vom Bodenfce. Das Häßchen, {oz 
eben auf ein improbifirtes Seftell gehoben, fpendete feinen Inhalt bereits der 
Becher unterhaltenden Menfchheit. Wein nächlter Gang galt nun dem Bahn: 
hofe bon Miederbronn, der das vollfommenjte Beugrniß für die Haft, mit der 
lich die Franzofen rückwärts fonzentrirten, ablegte. Ein ganzer Wagenzug 
mit Lebensmitteln und Waffen und angefpannter Lofomotive ftand auf den 
Schienen; Küraffe und Helme, Sartouches, Mitrailleufen-CEinjäße und Nejerve: 
theile, Zuckerfäffer und Reisiäcke, gefüllt und leer, mie man’8 nur haben wollte. 
Dhue Andenken ging Feiner wieder fort. Einer anneftirte eine Müße, ein 
zweiter verliebte fich in einen Buderhut, ein dritter fand es für gut, feine 
Kommißftiefel 3u vertaufhen 20. AI8 wir wieder zurücgingen, bemerkten wir 
im Felde noch einen todten bayer. Chevaulegers, dem die Kugel bei der Ver: 
Polgung in die Bruft gedrungen, und der, in einer Furche fiegend, bisher nicht 
bemerkt wurde. 
Wir Keßen Spaten kommen, ein Grab ausheben, um ihn nicht den Hyä- 
nen des Schlachtfeldes zu überliefern, und wenn au alles ohne Sang und 
Rlang ablief, fo Hatten doch einige Soldaten grüne Ameige bereit, um den 
Srabhügel des gefallenen Kameraden zu fhmücen. &8 war. [Hon fpät am 
Nbend, al ih zurückfam und mich fchlafen legte, aber nod) ange fummte e8 
nic im KRobfe: 
„Geftern u0G auf ftolzen Roffen, 
Geute durch die Bruft gefhoffen, 
Moraen in das Hihle Grab.“ 
8, Muguft, 
In Niederbromn, durhH das wir am Morgen marfdhirten, hing faft bei 
allen Fenftern die Genfer Ylagge heraus und da die Saloufien alle gefdlofien 
waren, fo werden darin wohl Yranzofen gewefen fein. 
Das Thal des Kalkeniteiner Baches, in dem wir auf VBitfdh zuwanderten, 
ipar nicht unintereffant, doch mar meine Empfänglichkeit für Naturfhönheiten 
bereits jehr herabgeftimmt. 
Sinmal hatten die Hranzojen das Thal durch einen Verhanu gefperrt, 
ve[p. fperren wollen und eine Mafjfe von Patronen, Torniftern {dien auf einen 
leßten Verfuch, der Verfolger fih zu ermehren, Hinzudeuten, In den Tor: 
niftern {teckten «ine Menge Briefe, von denen id mir wieder eine Portion 
nahm, um mid während des Marfhes mit dem Lefen derfelben zu unterhalten. 
Sinige derfelben boten gerade genug Stoff zum Lachen oder zum Weinen, je 
nad) dem Temperament des Lefjer8. 
Sn einem verficherte eine Schweiter ihrem Bruder, daß fie täglich fo und 
jo oft beten wolle, daß Gott doc alle Preußen mafjacriren lajfe. Ein weiterer, 
den ich noch befiße, heißt wörtlich überlebt: 
Xisle, 20. Suli 1870. 
„SO Beeile mich Deinen Brief 3u beantworten und Dir zu fagen, daß 
wir jehr betrübt find, zu wifien, daß ihr nad Preußen geht, um euch zu
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.