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Nicht ungeschickt betont Herr v. Artin, daß nach allen
Schriften für Hausers Sache, d. h. für sein badisches Erb—
prinzentum rastlos gefahndet wurde, während man die ihn als
einen Schwindler hinstellenden frei ausgehen ließ. Aber auch
hierin liegt kein Beweis für Hauser. Denn wenn auch alles
von Garnier, Sailer, Broch u. a. vorgebrachte unwahr war,
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badischen Regierung sehr ungelegen kommen. Die dreißiger
und vierziger Jahre brachten viel unruhige Stimmung mit sich,
und gerade in Baden war viel Gährungsstoff angehäuft.
Schriften, die von Greuelthaten im Herrscherhause berichteten
und vollends behaupteten, der gegenwärtige Herrscher säße mit
Unrecht auf dem Throne, waren geeignet, den revolutionären
Geist zu beleben, denn auch in der Politik gilt das Calumniare
audacter, semper aliquid haéret. Man kaun es der
badischen Regierung wohl nachfühlen, daß sie derartige Pas—
quille energisch verfolgte, auch wenn sie ein vollkommen reines
Gewissen hatte. Nun ist es aber wohl möglich, daß in den
Schriften manches wahre über skandalöse Vorgänge am badischen
Hofe gesagt war, ein Grund mehr für die Regierung, gegen
sie einzuschreiten. Ob sie damit aber grade das Richtige ge—
troffen hat, lasse ich dahingestellt. Verbotene Früchte schmecken
bekanntlich am süßesten, und so ist es kein Wunder, daß die ver—
folgten Schriften mit großer Begier gelesen wurden, wodurch bei
politischen Gegnern des Opfers die Ueberzeugung wuchs, Kaspar
Hauser sei der rechtmäßige Thronerbe von Baden. Wenn Herr
v. Artin es merkwürdig findet, daß den Verfassern der gegen
Hauser gerichteten Broschüren nie das Geringste widerfuhr, so
ist darauf zu erwidern: Sie beschuldigten nur einen längst Be—
grabenen des Betruges, schadeten somit Niemand; während die
Schriften für Hauser meist ungleich schwerere Anklagen gegen
zum Teil noch Lebende erhoben.